Die widerspenstige Lady
Oder besser, ich wollte dich darum ersuchen.“
„Wie bitte?“ Er musste sich verhört haben. „Aber er ist doch Annabells Stiefsohn.“
Sie nickte unglücklich. Was sollte er nun tun? Er konnte der Stiefmutter den Wunsch schlecht abschlagen, fürchtete jedoch, dass Annabell dann abreisen würde. Teufel, das stand ohnehin zu erwarten, sobald sie von Elizabeth erfuhr.
„Dies ist auch dein Heim, Juliet“, antwortete er endlich. „Also werde ich den Gentleman herbitten.“
„Ich möchte Annabell nicht verletzen“, sagte sie seufzend, aber doch erleichtert.
„Natürlich nicht. Trotzdem bist du auf Rosemont zu Hause. Und wir brauchen dich hier, wie du so richtig bemerktest. Bleibt zu hoffen, dass Annabell den Mann für ein paar Tage erträgt.“ Als er sah, wie die Stiefmutter errötete, fügte er hinzu: „Du möchtest ihn für länger einladen.“
Sie nickte. „Ich hatte an einige Wochen gedacht.“
„Verstehe.“
Teufel, Juliet war verliebt in den Mann, wie es schien. Konnte es noch wesentlich schlimmer kommen? Er wagte dies zwar zu bezweifeln, hätte aber auch ungern Wetten darauf abgeschlossen. „Wann soll ich ihm schreiben?“
„Falls wir die Einladung morgen abschicken, würde ich ihn gern in einer Woche hier begrüßen. So es dir passt, Hugo.“
„Weilt er in London?“
„Ja“, antwortete sie.
„Dann werde ich ihm die Nachricht persönlich überbringen.“
„Du reist in die Hauptstadt?“
„In der Tat. Ich habe dort etwas zu erledigen.“
„Ich … will mich ja nicht einmischen, aber ich dachte, Annabell und du … Ihr scheint euch so einig zu sein“, bemerkte sie erstaunt.
Offenbar waren er und Annabell nicht sonderlich diskret gewesen. „Wir genießen die Gesellschaft des anderen, mehr aber auch nicht.“
„Selbstverständlich“, flüsterte sie. „Ich hatte angenommen, ihr hegtet tiefere Gefühle füreinander. Nun, da befand ich mich wohl im Irrtum.“
„Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“, fragte er ausweichend.
„Nein, vielen Dank, Hugo. Ich weiß, wie unangenehm dies für dich und Annabell werden kann.“
„Mach dir nur darüber keine Gedanken, Juliet. Darf ich fragen, woher und wie lange du Fenwick-Clyde kennst?“
Mit einem versonnenen Lächeln antwortete sie: „Wir begegneten einander im letzten Sommer. Er war gerade aus Waterloo zurückgekehrt. Nach dem Tod seiner Gemahlin stellte er sich in Wellingtons Dienst, um den Schmerz zu überwinden. Ach, er ist ein so gefühlvoller Mensch.“
Am liebsten hätte Hugo aufgestöhnt. „Er bedeutet dir also viel?“
„Ja.“
„Und erwidert er deine Gefühle, Juliet?“
„Das tut er“, hauchte sie.
„Dann wünsche ich dir von Herzen das Beste.“
„Danke, Hugo“, antwortete sie glücklich. „Du warst immer so gut zu mir. Ich habe wirklich Glück, dich zum Sohn zu haben.“
„Juliet, wir sind fast im gleichen Alter. Es steht mir also kaum zu, dir Ratschläge zu erteilen oder gar etwas zu verbieten.“
„Dann werde ich jetzt nach den Kindern sehen.“ Juliet nickte ihm zu und ging hinaus.
Nachdenklich sah er ihr hinterher. Ihre Verbindung mit seinem Vater war keine Liebesbeziehung gewesen. Juliet war gerade siebzehn, als sie Sir Rafael heiratete. Es war eine gute Ehe, die ihr aber kein großes Glück beschert hatte. Deshalb freute sich Hugo, dass es nun einen Mann gab, der ihre Augen zum Leuchten brachte. Er wünschte nur, der Kerl wäre nicht Annabells Stiefsohn. Glücklicherweise waren ihm bisher keine Gerüchte zu Ohren gekommen, dass der Sohn es ebenso trieb wie der Vater. Andernfalls hätte er Juliets Bitte ohne Zögern abgeschlagen. Hoffentlich beging er keinen Fehler mit seinem Entgegenkommen. Allerdings konnte er Fenwick-Clyde besser beobachten, wenn der für einige Wochen auf Rosemont weilte. Und er wollte auch Annabell nach ihm fragen.
Hugo lehnte sich zurück und läutete nach Butterfield. Teufel, was für ein Morgen! Und das Schlimmste lag noch vor ihm. Er musste Annabell von Elizabeth und seiner Reise nach London erzählen.
Annabell stöhnte leise und streckte sich. Ihr tat alles weh, als sie sich jetzt aufrichtete. Sie hatte schon einige Stunden damit zugebracht, vorsichtig ein weiteres Mosaik der Villa freizulegen. Und dabei hatte sie kaum geschlafen in der Nacht mit Hugo. Diese Liaison durfte sie nicht von der Arbeit abhalten. Die Ausgrabungen gingen vor.
Sie war Witwe und verfügte über ihr eigenes Vermögen. So sollte es auch bleiben. Die Ehe mit Fenwick-Clyde hatte sie
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