Die widerspenstige Lady
verließ Rosemont, und sie konnte nichts dagegen tun. Auch wenn es sie noch so sehr verletzte, dass er auch weiterhin den großen Verführer spielte.
„Wie lange?“, fragte sie endlich. Würde er in London wieder jede Nacht spielen und die Frauen mit seinem Charme verzaubern? Schluss, sie quälte sich nur selbst.
„Nur ein paar Tage. Ich bin schnell wieder zurück.“
Erleichtert atmete sie auf. Offenbar hatte sie sich geirrt, und ihre Befürchtungen waren umsonst gewesen. Er traf sich doch sicher nicht mit einer anderen, wenn er lediglich derart kurz zu bleiben gedachte? Sollte er sie nach langer Abwesenheit besuchen, sie ließe ihn jedenfalls nicht nach ein, zwei Nächten wieder gehen. Nein, sie hätte ihn angefleht, sie nie mehr zu verlassen …
Was dachte sie da?
Dies waren nicht die Überlegungen einer Frau, die sich der Freiheit verschrieben hatte. Nein, so dachte jemand, der verliebt war. Hastig versuchte sie, sich aus seiner Umarmung zu lösen.
„Nein, Annabell, bleib hier“, bat er rau.
Entschlossen hielt er sie fest und drückte sie an die Brust. Sie konnte sein Herz schlagen fühlen. Herrje, sie musste sich endlich beruhigen! Schließlich hatten sie einander weder Treue noch Liebe geschworen. Natürlich konnte er tun und lassen, wonach auch immer ihm der Sinn stand. Trotzdem …
„Warum musst du nach London?“
Die Worte waren ihr entschlüpft, bevor sie es noch recht wusste. Sie benahm sich, als wären sie beide beinahe verheiratet. Lieber Himmel …
„Bitte, Hugo, vergiss die Frage einfach wieder. Es geht mich wirklich nichts an.“
„Aber ich bin hergekommen, um dir alles zu gestehen, Annabell.“
„Du bist mir nicht verpflichtet.“ Offen sah sie ihn an.
„Ich weiß.“ Er erwiderte ihren Blick. „Du sollst es von mir erfahren. Ich will nicht, dass du es von irgendeinem gemeinen Plappermaul hörst.“
Ein Schaudern überlief sie. „Das klingt ja so, als ginge es um ein schlimmes Stück Klatsch.“
„Es könnte zumindest zu Missverständnissen führen.“
„Du triffst dich also mit einer anderen Frau“, erwiderte sie leise und gepresst.
Er nickte. „Elizabeth Mainwaring.“
Gerade noch hatte sie sich so sicher in seinen Armen gefühlt, als könnte ihr dort niemals etwas Böses geschehen. Sie hatte eben nicht damit gerechnet, dass er derjenige sein würde, der ihr wehtat. Zumindest nicht so bald.
Natürlich hatte sie von Elizabeth gehört – die Witwe von Viscount Mainwaring. Sie war ein Liebling des ton, und man munkelte, dass sie schon so manches Schlafgemach mit ihrer Schönheit geschmückt hatte.
Verletzt wandte sie den Kopf ab. „Ist sie deine Geliebte?“ Würde sie die Antwort überhaupt ertragen können? Fast hätte sie die Frage gar nicht herausgebracht. Dabei wusste sie ohnehin ganz genau, dass Elizabeth Mainwaring keine rein freundschaftlichen Verbindungen zu Männern pflegte.
„Sie war es.“ Er zog sie enger an sich. „Aber nicht mehr, seit ich nach Rosemont zurückkehrte. Und sie wird es auch nie wieder sein, nun da ich dich kenne.“
Wie gern hätte sie ihm Glauben geschenkt … „Das wirst du erst wissen, wenn du ihr gegenüberstehst.“
„Sieh mich an, Annabell“, befahl er.
Sie zögerte. Er konnte ihr das Herz brechen. Kein anderer Mann hatte je so viel Macht über sie besessen. Und erst jetzt begriff sie wirklich, was er ihr bedeutete. Die Erkenntnis erschreckte sie.
Sanft umfasste er ihr Kinn. „Ich habe dich nie auch nur mit einem Wort belogen, Annabell.“
Wieder versuchte sie, den Blick abzuwenden, aber Hugo ließ es nicht zu. Verzweifelt schwieg sie, aus Angst davor, was sie sonst preisgeben würde.
„Glaubst du mir nicht?“
Es klang verärgert. Am liebsten hätte sie ihn angefleht, nicht nach London zu fahren. Dies aber verbot ihr Stolz. „Ich weiß es nicht, Hugo“, gestand sie. „Ich … Meine Ehe hat mich gelehrt, keinem Mann zu trauen – außer meinen Brüdern natürlich.“
Wütend verengte er die Augen. „Willst du mich etwa mit Fenwick-Clyde vergleichen?“, fragte er dann voll Abscheu.
„Nein, nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber es ist schwer, die Vergangenheit zu vergessen.“
„Ich durfte dich lieben.“
„Ich habe mich sogar von Anfang an danach gesehnt. Indes dir wirklich zu vertrauen …“ Sie seufzte. „Das ist viel schwerer.“
Vorsichtshalber erwähnte sie nicht, dass sein Ruf ein Übriges dazu beitrug. Wie wahrscheinlich war es, dass ein Mann wie Hugo die Affäre mit Elizabeth nun
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