Die widerspenstige Lady
gelehrt, dass es der Anfang vom Ende war, wenn man sich von einem Mann abhängig machte. Nach der Heirat gehörte die Frau ihrem Gemahl, und er konnte mit ihr verfahren, wie immer es ihm beliebte – so lauteten die Gesetze.
Nein, sie hatte nicht vor, wieder in diese Falle zu tappen. Nicht einmal mit Hugo – sollte der ihr denn je einen Antrag machen. Bisher hatten weder sie noch er ein Wort darüber verlauten lassen, dass sie mehr voneinander erwarteten als leidenschaftliche Liebesnächte. Es war nicht anzunehmen, dass er an eine ernsthafte Bindung dachte – ebenso wenig wie sie selbst.
Der Gedanke gab ihr einen Stich. Es machte ihr doch nichts aus, dass Hugo nur eine Affäre wollte? Dafür gab es keinen Grund, da sie seine Einstellung ja teilte – oder zumindest teilen sollte.
„Annabell“, war nun Susans hohe Stimme zu hören. „Was machst du denn hier ganz allein?“
„Ich arbeite. Um zehn kommen die Männer aus dem Dorf. Bis dahin habe ich nur noch eine Stunde Zeit, und es gibt viel zu tun. Diese Leute sind einfache Bauern, sie passen nicht auf, wo sie hintreten. Daher muss ich noch alles abdecken, was ich freigelegt habe.“
„Natürlich.“ Susan nickte. „Diese Menschen sind eben nicht wie Mr. Tatterly. Er ist ganz fasziniert von unserer Arbeit und fragt immer wieder, wie wir vorankommen.“
Annabell musste sich ein Lachen verbeißen. Die Frau war wirklich naiv wie ein kleines Schulmädchen. „Ich glaube, Mr. Tatterly ist eher fasziniert von dir, Susan.“
Heiß stieg der Freundin das Blut in die Wangen. „Unsinn, Annabell. Mr. Tatterly hat in Oxford studiert und ist ein sehr gebildeter Mann. Er kann sich ehrlich für Geschichte und die Naturwissenschaften begeistern.“
„Wie du meinst, meine Liebe.“
Es hatte keinen Sinn, mit Susan zu streiten. Entweder begriff sie, was Mr. Tatterly für sie empfand, oder ihr war ohnehin nicht zu helfen.
„Würdest du mir helfen?“, fragte Annabell also, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
„Deshalb bin ich hier. Sir Hugo bittet nämlich um dein Erscheinen im Haus.“ Sie senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. „Ich glaube, er will uns endgültig hinauswerfen. Vom Personal habe ich nämlich erfahren, dass Lady Fitzsimmon einen anderen Gast nach Rosemont einladen will.“
Abrupt hielt Annabell inne. Fremde im Haus konnten gefährlich werden. Damit stieg das Risiko, dass ihre Affäre entdeckt wurde. Doch auch die Aussicht auf einen ruinierten Ruf würde sie selbst nicht von Hugo fernhalten können. Dafür war es nun zu spät.
„Ach was, Susan“, entgegnete sie schärfer, als es ihre Absicht gewesen war. „Rosemont hat genügend Zimmer, dass Lady Fitzsimmon Dutzende Gäste einladen könnte, ohne uns fortschicken zu müssen.“
Erst als Susan leise schluchzte, bemerkte Annabell, dass sie die Freundin verletzt hatte. Sie hatte ihre eigenen Ängste wegen Hugo an Susan ausgelassen. Die mochte einem mit ihrem Geplapper ja manchmal auf die Nerven gehen, war indes sehr empfindsam. Eilig wandte sie sich um und legte Susan den Arm um die Schultern.
„Meine Liebe“, erklärte sie zerknirscht. „Verzeih meinen Ton. Ich war gerade in Gedanken bei etwas anderem, das mich sorgt, und du musstest darunter leiden. Bitte vergib mir.“
„Nein, nein“, wimmerte Susan. „Dich trifft keine Schuld. Ich bin nur überempfindlich. Du würdest mir nie absichtlich wehtun. Außerdem kann ich einen Menschen mit meinem Geschwatze wirklich in den Wahnsinn treiben. Ich weiß es ja.“
„Nicht doch, Susan. Ich liebe dich so, wie du bist.“
Susans Augen leuchteten auf. „Du bist immer so lieb zu mir und nimmst mich stets in Schutz.“ Sie seufzte herzzerreißend. „Aber jetzt musst du schnell aufbrechen. Sir Hugo schien ziemlich schlechter Stimmung. Ich wage mir gar nicht auszumalen, was er wollen mag.“
Annabell nickte besorgt und machte sich auf den Weg. Nach einer Weile erreichte sie die Straße. Noch aus einiger Entfernung sah sie einen Reiter herankommen. Es war Hugo. Offenbar hatte er es wirklich sehr eilig, mit ihr zu sprechen. Lächelnd winkte sie ihm zu.
Kurz bevor er Annabell erreicht hatte, zügelte er Molly und saß ab. Das Morgenlicht spielte in seinen rotbraunen Locken und ließ die grünen Augen strahlen. Bevor sie einander noch begrüßen konnten, hielt er Annabell in den Armen und senkte die Lippen auf die ihren. Sofort spürte sie wieder das gleiche leidenschaftliche Verlangen wie in der Nacht zuvor. Sanft strich
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