Die Wiedergeburt (German Edition)
dem g e wundenen Leib eines schwarzen Drachen auf rotem Grund, wie es die Soldaten Majunays auf ihren Bannern trugen.
Der Mann musste einmal Soldat gewesen sein, denn jeder, der in der Armee von Majunay gedient hatte, besaß das Recht, seinen Säbel auch nach Ende der Dienstzeit bei sich zu tragen. Aus dem Schaft eines seiner Stiefel ragte der Knauf eines Dolches hervor. Beim Näherko m men musterte er Larkyen mit strengem Blick.
„Wer bist du?“ fragte ihn der Krieger.
„Ich bin Larkyen vom Stamm der Yesugei.“
Khorgo schüttelte den Kopf.
„Der bist du nicht“, sagte er forsch. „Du siehst nicht aus wie ein Yesugei, Westler. Außerdem wurden die Yesugei von Boldar der Bestie ausgelöscht. Diese Tatsache hat sich unter den anderen Stämmen längst herumgespr o chen. Also bist du ein Lügner!“
„Was fällt dir ein, mich einen Lügner zu nennen“, fuhr ihn Larkyen an. „Ich bin der letzte der Yesugei.“
„Du gibst dich als Angehöriger eines dahingeschlac h teten Stammes aus? Hast du keinen Respekt vor den T o ten?“
„Diese Toten nannte ich Familie und Freunde!“ rief Larkyen und ballte die Hände zu Fäusten. „Also gib acht, was du sagst.“
Der Krieger stieg vom Pferd, so schnell das Gewicht des Adlers auf seinem Arm es zuließ.
„Khorgo, der Junge spricht die Wahrheit“, sagte Ojun und legte Larkyen eine Hand auf die Schulter.
In Khorgos Gesichtsausdruck mischte sich Verwund e rung.
„Aber er kommt aus dem Westen, wie kann er dann ein Yesugei sein?“
„Beruhige dich, alter Freund“, sagte der Schamane. „Ich erkläre dir alles.“
Er sah kurz zu Larkyen und trug ihm höflich auf, sich um die Pferde des Kriegers zu kümmern und dessen G e päck zur Jurte zu bringen. Larkyen folgte, auch wenn se i ne Verärgerung darüber, ein Lügner genannt worden zu sein, sich nur langsam legte. Aus dem Gepäckbündel des Kriegers ragte der Knauf eines weiteren Schwertes, w e sentlich breiter als sein Säbel und mit gerader Klinge, a u ßerdem ein langer Bogen mit kunstvoll gewundenen E n den, sowie ein Köcher mit zwei Dutzend Pfeilen.
Jetzt erst erinnerte sich Khorgo an den Brauch des O s tens und verbeugte sich tief vor dem Schamanen. Auch Ojun verbeugte sich. Dann gingen sie zusammen zur Ju r te, wo der Krieger seinen Adler auf einem Pfahl absetzte. Der Vogel krallte seine Klauen in das Holz und verharrte in völliger Regungslosigkeit.
Larkyen sah Khorgo nach. Trotz seines Mangels an Manieren hatte dieser Gast ihn beeindruckt.
Nur einmal in seinem Leben hatte er die Soldaten des Landes Majunay persönlich erblickt. Es lag viele Jahre zurück, und Larkyen war noch ein Kind gewesen. Doch die Begegnung mit Khorgo ließ diese Erinnerung wieder lebendig werden.
Der schwarze Drache flattert auf roten Bannern im Wind, windet und streckt sich bei jedem Luftzug, als sei er l e bendig.
Das Donnern vieler Hufe lässt den Boden erbeben, während die Soldaten Majunays auf ihren Pferden am Lager der Yesugei beim Fluss Nefalion vorbei reiten. Ihre Gesichter verdecken eiserne Masken, deren filigrane Kont u ren grimmige Züge bergen.
Was mochten ihre Feinde verspürt haben, wenn sie diese imposanten Reiter in Kriegszeiten auf sich zuko m men sahen? Furcht? Ehrfurcht? Oder sogar beides?
Würde Larkyen nicht wissen, dass es sich um Me n schen handelt, er würde schwören, einem Heer von Mo n stern begegnet zu sein.
Jeder der Soldaten trägt den markanten Säbel des Kriegerstandes, in einer ledernen Scheide an der Hüfte - Statussymbol lebendiger Denkmäler von Tradition und Brauchtum.
Ojun und Khorgo ließen sich am Feuer nieder.
Von ihrem Gespräch bekam Larkyen kaum etwas mit, doch immer wenn der Schamane sprach, schien es um Larkyens schwarzes Mal zu gehen.
Nachdem er sich um Khorgos Pferd gekümmert hatte, begab Larkyen sich wieder einmal an den Waldrand – j e nen Ort, den er inzwischen fest mit Alleinsein und Nac h denken verknüpfte.
Seine Finger strichen über das Zeichen auf seinem Handrücken.
Wie viele andere unter der schwarzen Sonne Gebor e ne mochte es wohl geben? Wo lebten sie? Und konnte man sie, nachdem sie das erste Mal gestorben waren, noch als menschliche Wesen bezeichnen?
Diese Fragen, die ihn so eingehend beschäftigten, w a ren nun an die Stelle jener gerückt, die er sich zuvor ein L e ben lang gestellt hatte – Aus welcher Familie er wohl stammen mochte? Und ob es irgendwo im Westen noch Verwandte gab, die vielleicht sogar nach ihm suchten.
Die sich
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