Die Wiedergeburt (German Edition)
Hand und ließ den Adler hinaufsteigen. Die scharfen Krallen umklammerten den Arm des Kriegers und gruben sich tief in das Leder. Khorgo hob den Arm. Der Adler spreizte seine mächtigen Schwingen und erhob sich mit schweren Flügelschlägen in die Luft.
„Gute Jagd“, rief Khorgo ihm nach. „In der Dämm e rung bist du wieder hier!“
Larkyen folgte mit seinem Blick der Flugbahn des Vogels. In den Weiten des Himmels gab es niemanden, der es mit der Kraft eines Adlers aufnehmen konnte. Di e ser Vogel war der König der Lüfte, der sich frei von Furcht bewegen konnte. Larkyen beneidete ihn.
Am Abend saßen sie wieder im Schein des Feuers. Aus dem Kessel stieg der strenge Geruch von gekochtem Schafsfleisch, das Larkyen am späten Nachmittag für den Schamanen zubereitet hatte.
Während Ojun sich das Fleisch mit bloßen Händen aus einer Holzschale griff und es schmatzend verschlang, wobei er sich von Larkyen immer wieder nachschlagen ließ, war sein Gesicht von Zufriedenheit erfüllt. Er schwärmte in den höchsten Tönen von Larkyen und se i ner Hilfsbereitschaft.
Khorgo ließ sich nicht anmerken, dass er dem Sch a manen überhaupt zuhörte. Er putzte den blanken Stahl seines Säbels im Flammenschein. Danach galt seine Pfl e ge dem westlichen Breitschwert.
„Du musst viel in der Welt herumgekommen sein“, sagte Larkyen zu Khorgo.
Der Krieger sah nur kurz auf und widmete sich dann wieder seinem Schwert.
„Ich habe viel gesehen“, sagte er beiläufig. „Vielleicht zu viel!“
„Würdest du mir davon erzählen?“
„Dazu sind doch die Abende am Feuer da, oder etwa nicht?“ meldete sich Ojun zu Wort.
Ein flüchtiges Lächeln erhellte das sonst so ernste G e sicht des Kriegers.
„Das Interesse an Soldatengeschichten liegt jungen Männern wohl im Blut“, sagte er. „Also will ich deine Neugierde befriedigen und dir von der Schlacht bei der Steinwüste Khezzar berichten. Zehn Sommer ist es nun her. Zu jener Zeit hatten sich die kriegerischen Kedanier aus dem Norden mit den Zhymaranern, die jenseits der Steinwüste im Süden leben und deren Haut so dunkel wie Ebenholz ist, zu einem gewaltigen Heer zusammeng e schlossen. Von Osten her überschritten sie die Grenze Majunays und marschierten durch die Steinwüste Khe z zar, in Richtung der Stadt Dakkai. Da Dakkai jedoch nicht befestigt genug war, um einer Belagerung standz u halten und die vielen Zivilisten zu schützen, ließ General Sandokar, der Befehlshaber des Heeres der Majunay, trotz einer Unterzahl von fünf zu eins, seine Truppen dem Feind entgegenmarschieren.
Doch General Sandokar war ein listiger Stratege. En t gegen dem Einspruch seiner Berater, teilte er sein Heer und ließ einen Großteil seiner Kavallerie von eintausend Re i tern, in großem Bogen und außer Sichtweite um den Feind herumreiten, nur um hinter ihnen, in einem verbo r genen Tal, Stellung zu beziehen.
Als Sandokar schließlich mit dem Rest seiner Truppen dem Feind gegenüberstand, ordnete er einen tödlichen Pfeilhagel an. Kaum war dieser abgeklungen, stürmte schon seine Infanterie, bewaffnet mit langen Speeren, nach vorn, und während seine Fußtruppen noch im Kampf vertieft waren, rückte hinter dem Rücken des Zweivölkerheeres bereits eine riesige Kavallerie heran. Die Hufe von tausend Pferden ließen den Boden erbeben. Ich selbst gehörte zu den tapferen Reitern, die an vorder s ter Front in das überraschte Feindesheer hineinritten. Wie eine Flutwelle begruben wir sie unter uns. Nach einem vollen Tag des Kampfes, hatte der Boden das Blut von über zwölftausend Kedaniern und Zhymaranern getru n ken. Als Zeichen der Warnung und der Abschreckung hatte General Sandokar je tausend Leichname seiner Feinde an die Grenzen Kedaniens und Zhymara bringen lassen, wo er sie zu einem hohen Berg auftürmen ließ. Die Gebeine der Toten liegen noch heute an jenen Orten, und sie haben ihren Sinn und Zweck erfüllt, denn nie wieder kam es zu einem kriegerischen Zusammenschluss der Länder Kedanien und Zhymara gegen Majunay.“
Als Khorgo seine Erzählung beendet hatte, herrschte eine Zeit lang Schweigen. Nur das Knistern des Feuers und das Heulen des Windes drangen an Larkyens Ohr. Hatte er den Krieger schon zuvor mit einem gewissen Respekt betrachtet, war daraus nun fast so etwas wie Eh r furcht geworden.
„Wie ist es, einem anderen Mann im Kampf gegen ü berzustehen?“ fragte Larkyen, „In seine Augen zu sehen, seinen Kriegsschrei zu hören, während Stahl auf Stahl trifft,
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