Die Wiedergeburt (German Edition)
Prellungen trug er davon, dennoch versuchte er, dem Krieger zumindest in punkto Hartnäckigkeit ebenbürtig zu sein und keinerlei Schmerz zu zeigen.
Ojun beobachtete die beiden. Aufmerksam verfolgte er jede von Larkyens Bewegungen und nickte anerke n nend, wenn es Larkyen wieder einmal gelang, einen von Kho r gos Streichen zu parieren oder ihm auszuweichen.
Larkyens Reflexe überraschten selbst den Krieger, und er kam nicht umhin, neben Kritik und Anregungen auch lobende Worte auszusprechen. Auch wenn er mit j e dem Fortschritt, den Larkyen machte, umso härter und liste n reicher zuschlug.
Der Gedanke an Rache war es, der Larkyen die nötige Ausdauer verlieh, um die Tortur seiner Ausbildung bis zum Abend durchzuhalten.
Als sie nach Sonnenuntergang zusammen am Feuer saßen und der Schamane einen neuen Kräuterverband auf Larkyens pochende Wunde legte, fielen Larkyen vor E r schöpfung fast die Augen zu.
Khorgo hingegen lächelte. Noch immer schien der Kri e ger wohlauf und bei vollen Kräften zu sein.
Nachdem er und Larkyen sich lange Zeit angesehen hatten, sagte er: „Das Kämpfen liegt dir im Blut, und du hast heute eine Menge gelernt. Ojun erzählte, du stammst von den Ufern des Grauen Meeres. Dort lebt das Volk der Kentaren, von denen Einiges bis in unser Land vordrang und es heißt, dass aus ihnen auch große Kämpfer hervo r gingen.“
Als Larkyen sich in der Jurte auf den Fellen ausstrec k te, schlief er zufrieden ein. Dabei hatte er noch immer die Worte des Kriegers im Ohr: „Das Kämpfen liegt dir im Blut“ … Larkyen träumte von seiner leiblichen Familie; in seinem Traum entstammte er einer Reihe von Kriegern der Kentaren, den Wölfen des Westens. Voller Stärke und Mut, so wie Khorgo der Majunay.
Er sah sich über weite Schlachtfelder schreiten, deren Boden von Blut getränkt war. Zerfetzte Banner wehten im Wind, und das Geklirr von aufeinander prallenden R ü stungen und Schwertklingen, vermischt mit wildem Kriegsgeschrei, erfüllte die Luft. Die Schreie der Ste r benden fanden ihren Weg an Larkyens Ohr, und er folgte ihrem Ruf. Sie riefen nach einem Gott, der ihnen be i stand, aber es war Larkyen, der ihnen im Moment ihres Todes erschien. Ein gieriger Hunger, wie er ihn nie zuvor verspürt hatte, übernahm die Herrschaft in seinem Kö r per.
Gier nach Lebenskraft.
Er beugte sich hinab zu einem sterbenden Soldaten und sah ihm in die feuchten Augen, während er, getrieben von einem völlig neuen Instinkt, den Mund öffnete. Dann geschah es. Larkyen sog mit einem langen tiefen Ate m zug die Energie des Lebens aus dem Leib des Sterbenden – Energie, die er nicht sehen, dafür umso besser spüren konnte. Der Soldat ließ den Kopf baumeln, und Larkyen glaubte zu hören, wie das Herz des Mannes aufhörte zu schlagen. Der Soldat war tot; Larkyen jedoch fühlte sich stark, unglaublich stark.
Erschrocken wachte er auf. Im ersten Moment glaubte er, beim Erwachen geschrien zu haben. Der Rhythmus seines Herzschlages dröhnte in seinen Ohren. Zu seinem Entsetzen verspürte er zum ersten Mal jenen Hunger, den er eben noch im Traum ausgelebt hatte. Er sah im schummrigen Licht der Jurte zu dem schlafenden Sch a manen hinüber, der in seine Felle eingewickelt fest schlief. Nur unweit davon ruhte Khorgo. Auch der Kri e ger hatte nichts von Larkyens Erwachen mitbekommen. In der Jurte war es bis auf das leise Knistern des Feuers totenstill.
Larkyen machte seine Augen wieder zu. Aus Furcht vor sich selbst zwang er sich mit härtester Willenskraft, sein Verlangen bis zum nächsten Morgen wieder zu ve r gessen.
Kapitel 5 – Kind der schwarzen Sonne
Im ersten Licht der aufgehenden Sonne spürte Lark y en, dass das todbringende kedanische Pfeilgift seinen Leib endgültig verlassen hatte – und mit ihm auch der Schmerz und die Erschöpfung, die jenes Gift ihm selbst nach der Wiedergeburt noch beschert hatte. Er ging hi n aus an die frische Luft und streifte den Verband ab. Der kühle Wind streichelte seine nackte Schulter, auf der nur noch eine Narbe an seine Verwundung erinnerte.
Die Wiedergeburt schien nun ihre weiteren Auswi r kungen zu zeitigen. Larkyens Muskeln waren straffer und fester. Er fühlte sich bedeutend kräftiger als während se i ner Zeit im Nomadenstamm.
Mit schnellen Schritten trat er auf eine alte Buche zu. Eine spielerische Neugierde trieb ihn dazu, mit den au s gestreckten Fingern beider Hände in die tiefen Furchen der knorrigen Baumrinde zu greifen, um dann seine Fi n
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