Die Wiedergeburt
Nähe so sehr fürchten.« Alexandra ließ sich ihm gegenüber auf der Bank nieder und wartete, dass er ihr endlich eine Erklärung für sein Verhalten gab. Stattdessen bestellte er zwei Ale. Schweigend starrte er Alexandra an, bis eine Bedienung beide Humpen vor ihm abstellte.
»Trinken Sie«, forderte er Alexandra auf und schob ihr ein Ale zu. »Sie werden es brauchen.«
Alexandra rührte das Bier nicht an. »Was habe ich Ihnen getan, Bothwell?«
Er nahm einen tiefen Zug und stellte den Krug so heftig auf den Tisch zurück, dass ein Teil des Ales über den Rand schwappte. »Gar nichts«, sagte er und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Sie haben gar nichts getan, doch das ändert nichts daran, dass Sie eine Gefahr für Lucian sind.«
Alexandra runzelte die Stirn. »Aber warum?«
»Was hat er Ihnen über die Wahrsagerin erzählt?«
Alexandra dachte nach. »Diese Frau hat ihm von mir erzählt. Davon, dass sich unsere Wege kreuzen würden. Ihretwegen ist er der Überzeugung, ich sei sein Schicksal.«
»Hat er noch mehr gesagt?«
»Die Alte behauptete, ich sei seine Seelenverwandte.« Die Erinnerung, wie Lucian über sie – Alexandra – gesprochen hatte, als wäre sie ein kostbarer Schatz, stieg wieder in ihr auf. Die Wahrheit ist, dass meine Vorstellungen Ihnen nicht gerecht werden. Diesmal erschreckte sie die Inbrunst nicht, mit der er über sie gesprochen hatte. Stattdessen erfüllte sie die Erinnerung an seine Worte mit Wärme.
»Und weiter?«, bohrte Bothwell.
»Nichts weiter.«
»Das hätte ich mir denken können.« Seine Finger schlossen sich so fest um den Humpen, dass seine Knöchel weiß hervortraten. »Ich weiß wirklich nicht, was er in Ihnen sieht, dass er derart versessen darauf ist …« Die Abneigung war aus seinem Blick gewichen. Alles, was sie noch in seinen Zügen fand, als er langsam den Kopf schüttelte, war eine tiefe Traurigkeit. »All die Dinge, die er Ihnen gesagt hat, sind wahr, doch er hat einen entscheidenden Teil verschwiegen.«
»Welchen?«, fragte sie, obwohl sie nicht sicher war, ob sie die Antwort wirklich hören wollte. Als Bothwell erneut in Schweigen verfiel, hatte Alexandra Mühe, ihre Ungeduld in Zaum zu halten. Da ihr jedoch bewusst war, dass sie gar nichts erreichen würde, wenn sie ihn jetzt drängte, zwang sie sich abzuwarten.
»Diese alte Hexe«, begann er endlich, »hat ihm nicht nur gesagt, dass Sie in sein Leben treten würden. Sie sind sein Schicksal. Was für ein kleines Wort – Schicksal – und doch so mächtig, dass es die Welt bedeuten kann.« Wieder verfiel er in Schweigen, den Blick starr auf seinen Humpen gesenkt.
Es fiel Alexandra immer schwerer, sich zurückzuhalten. Doch sie sah, wie schwer es ihm zu schaffen machte, mit ihr darüber zu sprechen. In seinen Augen war sie die Schuldige – auch wenn sie noch immer nicht wusste, woran sie die Schuld tragen sollte.
Plötzlich sah er auf. »Ihre Liebe wird ihm den Tod bringen. Das hat die Alte gesagt. Sie sind sein Ende. Ihre Liebe wird ihn vernichten!«
Seine Worte nahmen ihr den Atem. Wie sollte sie ihn umbringen, wenn das Kreuz erst zerstört war? Eine Weile konnte sie Bothwell nur anstarren. »Das … das ist doch Unsinn!«
Bothwell hob eine Augenbraue. »Derselbe Unsinn wie die Tatsache, dass Lucian Ihr Gesicht seit fünfhundert Jahren kennt? Dass er seitdem weiß, dass Sie in sein Leben treten würden?«
Was gab es darauf zu erwidern? »Ist das der genaue Wortlaut dieser Prophezeiung?«
Bothwell schüttelte den Kopf. »Nur ein Teil davon. Vollständig lautet sie: Wenn du glaubst, auf ewig Unsterblichkeit erlangt zu haben, wird dir ihre Liebe den Tod bringen.«
Seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Sie wollte nicht daran glauben, wollte Bothwell und sich selbst einreden, dass es nur das Gefasel eines alten Weibs war. Doch wie konnte sie daran zweifeln? Diese Frau hatte gewusst, dass Lucian und sie einander begegnen würden. Sie hatte ihr Gesicht gekannt – ein halbes Jahrhundert, bevor sie überhaupt geboren worden war! Welche Hoffnung bestand also, dass sie sich ausgerechnet mit diesen Worten geirrt haben sollte?
»Auf ewig Unsterblichkeit«, wiederholte sie leise. Es fiel Alexandra nicht schwer, die Bedeutung zu erahnen. Ewige Unsterblichkeit würde Lucian erlangen, sobald das Kreuz und der Splitter zerstört waren. Dann gab es nichts mehr, was ihm noch gefährlich werden konnte – abgesehen von ihr selbst.
Ihr war gerade erst klar geworden, dass sie alle Hürden
Weitere Kostenlose Bücher