Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
eine furchtbare Gefahr kommen sah, vor der jemand ihn bewahren sollte. Und dann: ›uns‹! Eine weitere Person ist also in die Sache verwickelt. Wer anders könnte das sein als dieser blasse bärtige Mann, der in einem sichtlich nervösen Zustand zu sein schien. Welche Verbindung besteht also zwischen Godfrey Staunton und dem Bärtigen? Und wer ist der Dritte, von dem die beiden sich Hilfe vor der drohenden Gefahr erwarteten? So weit haben unsere Nachforschungen das Problem schon eingeengt.«
»Wir müssen nur herauskriegen, an wen er sich mit dem Telegramm wandte«, schlug ich vor.
»Genau das, mein lieber Watson. Ihre bestimmt folgerichtige Überlegung ist mir auch bereits durchs Hirn gegangen. Aber sicherlich ist es auch Ihnen schon zu Ohren gekommen, daß Sie, wenn Sie in ein Postamt spazieren und das Kontrollblatt einer Nachricht sehen wollen, die ein anderer aufgegeben hat, auf ziemliche Ablehnung von Seiten der Beamten stoßen könnten. Auf dem Gebiet wiehert der Amtsschimmel! Dennoch zweifle ich nicht, daß wir mit einem bißchen Fingerspitzengefühl und Schlauheit ans Ziel kommen. Erst einmal würde ich gern in Ihrem Beisein, Mr. Overton, die Papiere hier auf dem Tisch durchsehen.«
Da lagen einige Briefe, Quittungen und Notizbücher, die Holmes mit schnellen, nervösen Handbewegungen und flinken, scharfen Blicken überprüfte.
»Nichts«, sagte er schließlich. »Übrigens: Ich nehme an, Ihr Freund ist ein durch und durch gesunder junger Bursche, dem nichts fehlt?«
»Gesund wie frische Luft.«
»Nie krank?«
»Nicht einen Tag. Einmal hat man ihm in die Knochen getreten, und einmal hat er sich das Knie verrenkt, aber das sind ja keine Krankheiten.«
»Vielleicht ist er gar nicht so stark, wie Sie annehmen. Ich glaube, er hat irgendein geheimes Leiden. Mit Ihrer Zustimmung möchte ich einige von diesen Papieren an mich nehmen; es könnte sein, daß sie etwas mit unseren Nachforschungen zu tun haben.«
»Moment mal, Moment mal!« rief eine streitsüchtige Stimme, und als wir in die Richtung blickten, aus der sie kam, sahen wir in der Tür einen zappelnden, zuckenden komischen alten Mann. Er war in verschossenes Schwarz gekleidet und trug einen breitrandigen Zylinder und eine lose weiße Halsbinde – alles in allem machte er den Eindruck eines Pastors vom Land oder eines Angestellten von einem Bestattungsinstitut. Und doch, im Gegensatz zu seiner schäbigen, abgeschmackten Erscheinung, war seine Stimme scharf und die Art seines Auftretens von einer Spannung beherrscht, die Aufmerksamkeit heischte.
»Wer sind Sie, Sir, und mit welchem Recht rühren Sie an die Papiere des Herrn?« fragte er.
»Ich bin Privatdetektiv und versuche, das Verschwinden ebendes Mannes aufzuklären.«
»Tun Sie das? Und wer hat Sie damit beauftragt?«
»Der Herr hier, ein Freund von Mr. Staunton; Scotland Yard hat ihn an mich verwiesen.«
»Und wer sind Sie, Sir?«
»Cyril Overton.«
»Dann haben Sie mir das Telegramm geschickt. Mein Name ist Lord Mount-James. Ich bin so schnell gekommen, wie es der Bus von Bayswater zuläßt. Sie haben also den Detektiv beauftragt?«
»Ja, Sir.«
»Und Sie sind auch bereit, die Kosten zu tragen?«
»Ich hege keinen Zweifel, daß mein Freund Godfrey, wenn wir ihn gefunden haben, das tun wird.«
»Und wenn er nicht gefunden wird, he? Beantworten Sie mir die Frage.«
»In dem Fall wird zweifellos seine Familie…«
»Nichts da, Sir!« kreischte der kleine Mann. »Mich brauchen Sie um keinen Penny anzugehen, um keinen Penny! Merken Sie sich das, Herr Detektiv! Ich bin die ganze Familie des jungen Mannes, und ich sage Ihnen, daß ich für nichts aufkomme. Wenn er überhaupt etwas erwarten darf, dann nur, weil ich nie Geld verschwendet habe, und ich bin nicht willens, jetzt damit anzufangen. Und was die Papiere betrifft, derer Sie sich so frei bedienen, möchte ich Ihnen sagen, daß Sie, wenn es sich um etwas von Wert handeln sollte, Rechenschaft ablegen müssen, was Sie damit getan haben.«
»Geht in Ordnung, Sir«, sagte Sherlock Holmes. »Darf ich Sie inzwischen fragen, ob Sie eine Erklärung für das Verschwinden des jungen Menschen haben?«
»Nein, Sir, die habe ich nicht. Er ist groß und alt genug, um auf sich selber aufzupassen, und wenn er so blöde ist, verlorenzugehen, lehne ich jede Verantwortung ab, nach ihm zu suchen.«
»Ich verstehe Ihre Haltung«, sagte Holmes mit
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