Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
ermordete er Adair, als der gerade dabei war, festzustellen, wieviel Geld er zurückgeben müßte, da er nicht vom Falschspiel seines Partners profitieren wollte. Er verschloß die Tür, damit die Damen ihn nicht überraschten und befragten, was es mit den Namen und den Geldstücken auf sich habe. Meinen Sie, es könnte so gewesen sein?«
»Ich zweifle nicht, daß Sie die Wahrheit getroffen haben.«
»Bei der Gerichtsverhandlung wird es sich herausstellen, ob es so war oder nicht. Unterdessen kann Colonel Moran, was auch kommen mag, uns keine Sorgen mehr bereiten, von Herders be rühmtes Luftgewehr wird das Museum von Scotland Yard schmücken, und Mr. Sherlock Holmes ist wieder einmal frei, sich der Untersuchung der interessanten kleinen Probleme zuzuwenden, die das komplizierte Londoner Leben so reichlich anbietet.«
Der Baumeister von Norwood
»Vom Gesichtspunkt des Kriminalexperten«, sagte Mr. Sherlock Holmes, »ist London nach dem Tode von Professor Moriarty seligen Angedenkens eine einmalig uninteressante Stadt geworden.«
»Ich kann mir kaum denken, daß Sie viele ehrbare Bürger finden würden, die mit Ihnen übereinstimmen«, antwortete ich.
»Gewiß doch, ich darf nicht selbstsüchtig sein«, sagte er mit einem Lächeln und schob seinen Stuhl vom Frühstückstisch zurück. »Für die Allgemeinheit ist es bestimmt von Vorteil, und niemand hat einen Verlust erlitten, ausgenommen der mattgesetzte Spezialist. Als der Mann noch lebte, bescherte mir die Morgenzeitung unbegrenzte Möglichkeiten. Oft war es nur eine winzige Spur, Watson, die leiseste Andeutung, und doch genügte sie, mich erkennen zu lassen, daß das große unheilvolle Hirn wirkte, so wie die zartesten Schwingungen am Rande eines Spinnennetzes daran gemahnen, daß in der Mitte die böse Spinne lauert. Kleine Diebstähle, mutwillige Überfälle, sinnlose Wutausbrüche – wer im Besitz des Schlüssels war, konnte alles zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfügen. Für denjenigen, der die Welt des höheren Verbrechens wissenschaftlich erforscht, bot keine Hauptstadt Europas, was London damals besaß. Aber nun…« Er zuckte die Schultern in launischer Mißbilligung des Standes der Dinge, den herzustellen er selber so viel beigetragen hatte.
Zu der Zeit, von der ich spreche, war Holmes seit einigen Monaten wieder in London, und ich hatte auf seine Bitte hin meine Praxis verkauft und war in das alte Quartier in der Baker Street zurückgekehrt. Ein junger Arzt namens Verner hatte meine kleine Praxis in Kensington übernommen und mir mit erstaunlich wenig Einwendungen den höchsten Preis gezahlt, den ich zu fordern gewagt hatte – ein Geschehnis, das sich mir erst einige Jahre später entschleierte, als ich herausfand, daß Verner ein entfernter Verwandter von Holmes und daß es mein Freund gewesen war, der tatsächlich die Kosten bestritten hatte.
Die Monate unserer Partnerschaft waren nicht so ereignislos verlaufen, wie Holmes es darstellte, denn ich finde bei Durchsicht meiner Aufzeichnungen, daß in diese Zeitspanne der Fall mit den Papieren des Ex-Präsidenten Murillo fiel, ebenso die schockierende Affäre um das holländische Dampfschiff ›Friesland‹, die uns beide fast das Leben gekostet hätte. Holmes’ kalte und stolze Natur aber wandte sich stets gegen jede Form von öffentlichem Beifall, und mich hatte er strengstens verpflichtet, fernerhin kein Wort mehr über ihn, seine Methoden und seine Erfolge verlauten zu lassen – ein Verbot, das, wie ich bereits erklärte, erst jetzt aufgehoben ist.
Sherlock Holmes lehnte sich nach seinem grilligen Protest im Sessel zurück und entfaltete teil nahmslos die Morgenzeitung, als unsere Aufmerksamkeit von einem gewaltigen Läuten der Glocke angezogen wurde, dem sogleich ein dumpfes Trommeln folgte, als schlüge jemand mit der Faust gegen die Haustür. Nachdem geöffnet worden war, stürzte etwas mit Getöse in die Halle, eilige Füße polterten die Treppe herauf, und einen Augenblick später platzte ein rasender junger Mann mit wilden Augen, bleich, zerzaust, zitternd, in unser Zimmer. Er sah zwischen uns hin und her, und unter unseren fragenden Blicken wurde ihm bewußt, daß eine Entschuldigung wegen dieses taktlosen Eintretens am Platze war.
»Es tut mir leid, Mr. Holmes«, rief er. »Tadeln Sie mich nicht. Ich bin fast verrückt. Mr. Holmes, ich bin der unglückliche John Hector McFarlane.« Er stellte sich in einer Weise vor, als ob uns allein der Name
Weitere Kostenlose Bücher