Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
Stunden zu verschwinden.«
»Und dann wird alles entdeckt?«
»Auf jeden Fall.«
Der Seemann wurde rot vor Zorn.
»Was für einen Handel schlagen Sie einem Mann vor? Ich verstehe genug vom Gesetz, um zu wissen, daß man Mary als Komplizin anklagen wird. Denken Sie, ich lasse sie allein, damit sie die Musik bezahlt, während ich mich davonstehle? Nein, Sir! Sollen sie doch mit mir anfangen, was sie wollen, aber finden Sie um Himmels willen ei nen Weg, Mr. Holmes, meine arme Mary vorm Gericht zu bewahren.«
Holmes reichte dem Seemann zum zweitenmal die Hand.
»Ich habe Sie nur prüfen wollen, und in allem reagieren Sie wie ein aufrechter Mann. Nun, ich lade mir da eine große Verantwortung auf, aber ich habe Hopkins einen hervorragenden Tip gegeben, und wenn es ihm nicht gelingt, Vorteil daraus zu schlagen, dann kann ich ihm auch nicht helfen. Wir werden jetzt, Captain Croker, handeln, wie das Gesetz es vorschreibt. Sie sind der Angeklagte. Watson, Sie repräsentieren eine britische Jury, und ich kenne niemanden, der würdiger wäre, diese Rolle zu spielen. Ich bin der Richter. Nun, Gentlemen der Jury, Sie haben das Beweisverfahren verfolgt. Finden Sie den Angeklagten schuldig oder nicht schuldig?«
»Nicht schuldig, Mylord«, sagte ich.
» Vox populi, vox Dei. Sie sind frei, Captain Croker. Solange das Gesetz in diesem Fall kein anderes Opfer findet, sind Sie von meiner Seite aus sicher. Kehren Sie in einem Jahr zu der Dame zurück, und möge Ihrer beider Zukunft das Urteil rechtfertigen, das wir heute abend gesprochen haben.«
Der zweite Fleck
Ich hatte mir vorgenommen, daß das Abenteuer in ›Abbey Grange‹ die Reihe der Taten meines Freundes Mr. Sherlock Holmes, die ich der Öffentlichkeit mitteile, beschließen sollte. Dieser Vorsatz ging nicht auf einen Mangel an Material zurück, da ich Aufzeichnungen über Hunderte von Fällen besitze, die ich nie erwähnt habe, noch war er von einem schwindenden Interesse meiner Leser an der einmaligen Persönlichkeit und den ungewöhnlichen Methoden des bemerkenswerten Mannes bestimmt. Der wahre Grund lag im Widerstreben, das Mr. Holmes der fortgesetzten Veröffentlichung seiner Erfahrungen entgegensetzte. Solange er sich beruflich betätigte, stellten die Berichte über seine Erfolge einen gewissen praktischen Wert dar; aber seit er sich endgültig aus London zurückgezogen und in den Sussex Downs niedergelassen hat, um sich seinen Studien und der Bienenzucht zu widmen, ist ihm Bekanntheit verhaßt geworden, und er verlangt entschieden, daß seine Wünsche in dieser Hinsicht streng beachtet werden. Nur durch das Versprechen, das Abenteuer um den ›Zweiten Fleck‹ erst zu veröffentlichen, wenn die Zeit reif sei, und durch meinen Hinweis darauf, daß die lange Reihe der Geschichten mit dem wichtigsten internationalen Fall, der ihm je übertragen wurde, ihren Höhepunkt finden sollte, gelang es mir schließlich, seine Zustimmung zu erhalten, daß ein sorgfältig abgewogener Bericht über die Ereignisse den Lesern vorgelegt werden durfte. Wenn ich im Lauf der Geschichte bei gewissen Einzelheiten ziemlich verschwommen zu sein scheine, so wird der geneigte Leser wohl verstehen, daß es gute Gründe für meine Zurückhaltung gibt.
Es geschah also – das Jahr und den Tag will ich nicht näher benennen –, daß sich an einem Dienstagmorgen zwei Besucher von europäischem Ruf innerhalb der Wände unseres bescheidenen Heims in der Baker Street einfanden. Der eine – streng, hoheitsvoll, herrisch, adleräugig – war niemand anderes als der berühmte Lord Bellinger, zweimal schon englischer Premierminister. Sein Begleiter – dunkelhaarig, mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen, elegant, kaum über das mittlere Alter hinaus und gesegnet mit allen leiblichen und geistigen Vorzügen – war der Sehr Ehrenwerte Trelawney Hope, Staatssekretär für europäische Angelegenheiten und der meistversprechende Staatsmann des Landes. Sie saßen nebeneinander auf unserem mit Zeitungen übersäten Sofa, und es war leicht an ihren erschöpften und besorgten Mienen zu erkennen, daß die Angelegenheit, die sie zu uns geführt hatte, äußerst wichtig sein mußte. Die schmalen, von Venen überzogenen Hände des Premiers hielten krampfhaft die Elfenbeinkrücke seines Regenschirms, und das hagere, asketische Gesicht blickte düster auf Holmes und mich. Der Staatssekretär für europäische Angelegenheiten zupfte nervös an seinem Schnurrbart und spielte
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