Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
Schiffahrtsbüro waren. Ich konnte Ihnen nicht entwischen. Beginnen Sie mit dem Schlimmsten. Was werden Sie mit mir tun? Mich verhaften? Sprechen Sie doch, Mann! Sie können nicht hier sitzen und mit mir spielen wie die Katze mit der Maus.«
»Bieten Sie ihm eine Zigarre an«, sagte Holmes. »Beißen Sie hinein, Captain Croker, und lassen Sie nicht die Nerven mit Ihnen durchgehen. Ich säße nicht hier und rauchte mit Ihnen, wenn ich annähme, Sie wären ein gewöhnlicher Verbre cher, dessen können Sie sicher sein. Seien Sie offen zu mir, und wir werden gut miteinander auskommen. Versuchen Sie mich auszutricksen, dann werde ich Sie zerschmettern.«
»Was soll ich tun?«
»Berichten Sie mir wahrheitsgemäß alles, was sich in der vergangenen Nacht in ›Abbey Grange‹ ereignet hat – wahrheitsgemäß, wohlgemerkt, ohne etwas hinzuzufügen oder etwas wegzulassen. Ich weiß schon so viel, daß ich, wenn Sie auch nur um Haaresbreite von der Wahrheit abweichen, mit dieser Trillerpfeife den nächsten Polizisten alarmieren und Sie verhaften lassen kann. Und dann ist mir die Affäre für immer aus der Hand genommen.«
Der Seemann dachte eine Weile nach. Schließlich schlug er sich mit der großen, sonnengebräunten Hand auf den Schenkel.
»Ich lasse es darauf ankommen«, rief er. »Ich glaube, daß Sie ein ehrlicher Mann sind, ein Mann von Wort, und ich werde Ihnen die ganze Geschichte erzählen. Eins aber muß ich vorausschikken. Was mich betrifft, so bereue ich nichts und fürchte nichts, und ich würde alles noch einmal tun und stolz darauf sein, es getan zu haben. Verfluchtes Biest! Und wenn er so viele Leben hätte wie eine Katze, sie wären alle mir verfallen! Aber es geht um die Dame, um Mary – Mary Fraser –, denn niemals werde ich sie bei diesem verdammten Namen nennen. Wenn ich daran denke, daß ich sie in Schwierigkeiten bringe, ich, der ich mein Leben hingeben würde, nur damit ein Lächeln auf ihr liebes Gesicht kommt, dann sinkt mir das Herz. Und doch – und doch – was hätte ich anderes tun sollen? Ich erzähle Ihnen meine Geschichte, Gentlemen, und ich frage Sie von Mann zu Mann: Was hätte ich anderes tun sollen?
Ich muß ein Stück in die Vergangenheit zurückgehen. Sie scheinen alles zu wissen, und so nehme ich an, Sie wissen auch, daß ich der Erste Offizier auf der ›Rock of Gibraltar‹ war, als ich ihr zum ersten Mal auf dem Schiff begegnete. Seit diesem ersten Mal gibt es keine andere Frau für mich. Mit jedem Tag, den die Reise dauerte, liebte ich sie mehr, und ich habe oft in der Dunkelheit der Nacht auf dem Deck gekniet und die Planken geküßt, über die ihr lieber Fuß gegangen ist. Wir waren nicht verlobt. Sie behandelte mich so fair wie nur je eine Frau einen Mann. Ich kann mich nicht beklagen. Von mir aus war es Liebe, von ihr aus gute Kameradschaft und Freundschaft. Als wir voneinander schieden, war sie eine freie Frau, ich aber konnte mich nicht länger als ein freier Mann fühlen.
Als ich von der nächsten Überfahrt zurückkam, erfuhr ich von ihrer Heirat. Gut, warum sollte sie nicht heiraten, wen sie wollte? Sie war geboren für alles Schöne und Vornehme. Titel und Geld – wem hätte es besser angestanden als ihr? Ich grämte mich nicht wegen ihrer Heirat. Ein so egoistischer Hund bin ich nicht. Ich freute mich darüber, daß ihr das Glück über den Weg gelaufen war und daß sie sich nicht an einen Seemann oh ne einen Pfennig weggeworfen hatte. So sehr liebte ich Mary Fraser.
Nun, ich glaubte nicht, daß ich sie je wiedersehen würde. Doch nach der letzten Fahrt bekam ich die Beförderung, und das neue Schiff war noch nicht in Dienst gestellt, so daß ich einige Monate bei meiner Familie in Sydenham warten mußte. Eines Tages begegnete ich Theresa Wright, ihrer alten Zofe, auf einem Feldweg. Sie erzählte mir von ihr, von ihm, sie erzählte mir alles. Ich versichere Ihnen, Gentlemen, es trieb mich fast in den Wahnsinn. Dieser besoffene Hund – daß er es wagte, seine Hand gegen sie zu erheben, von deren Schuhen den Staub zu lecken er nicht würdig war! Ich traf Theresa wieder. Dann begegnete ich Mary – und begegnete ihr wieder. Dann wollte sie mich nicht mehr treffen. Aber dann erhielt ich eine Nachricht, daß ich eine Woche später meine Reise antreten sollte, und ich beschloß, sie noch einmal wiederzusehen, ehe ich in See stechen mußte. Theresa war immer meine Freundin, denn sie haßte den Schläger fast so tief wie ich. Von ihr
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