Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
sie bei sich trug, als er von der Polizei verfolgt wurde. Er rettete sich in die Fabrik, in der er angestellt war, und er wußte, daß ihm nur ein paar Minuten blieben, um den unerhört wertvollen Schatz zu verbergen, den man, wenn er durchsucht worden wäre, bei ihm gefunden hätte. Sechs Gipsabgüsse des Napoleon trockneten im Gang. Einer war noch weich. Im Nu machte Beppo, ein geschickter Arbeiter, ein kleines Loch in den feuchten Gips, ließ die Perle hineinfallen, und mit ein paar Handgriffen schloß er es wieder. Ein bewundernswertes Versteck. Keiner konnte die Perle finden. Beppo wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, und in der Zwischenzeit wurden die sechs Büsten über ganz London verstreut. Er wußte nicht, welche den Schatz barg. Nur indem er sie zerbrach, konnte er es feststellen. Selbst schütteln hätte ihm nicht weitergeholfen, weil es bei dem feuchten Gips wahrscheinlich war, daß die Perle festklebte, wie es ja nun auch war. Beppo verzagte nicht, und er betrieb die Suche beharrlich und mit bemerkenswertem Scharfsinn. Von einem Vetter, der bei Gelder arbeitet, erfuhr er, welche Firmen die Büste gekauft hatten. Er schaffte es, bei Morse Hudson angestellt zu werden, und so gelangte er an drei der Büsten. Die Perle war nicht in ihnen. Dann fand er mit Hilfe eines italienischen Angestellten heraus, wohin die anderen Büsten gegangen waren. Die erste stand bei Harker. Dorthin folgte ihm sein Komplize, der Beppo für den Verlust der Perle verantwortlich machte; es gab ein Handgemenge, bei dem jener erdolcht wurde.«
»Wenn er sein Komplize war, warum hat er dann die Photographie von ihm bei sich getragen?«
»Als ein Hilfsmittel bei der Verfolgung; er hätte vielleicht eine dritte Person nach ihm fragen müssen. Das ist offenbar der Grund. Nun, nach einem Mord, so kalkulierte ich, würde Beppo sich eher beeilen als seine Aktivitäten verzögern. Er mußte befürchten, die Polizei könnte hinter sein Geheimnis kommen, und so hastete er weiter, damit sie ihn nicht überholen konnte. Natürlich wußte ich nicht, ob er die Perle nicht doch in Harkers Büste gefunden hatte. Ich war mir noch nicht einmal sicher, daß es sich um die Perle handelte; aber es lag für mich auf der Hand, daß er nach etwas suchte, da er die Büste an den anderen Häusern vorbeigetragen hatte, um sie in einem Garten zu zertrümmern, in den eine Laterne hineinschien. Weil Harkers Büste eine von dreien war, standen unsere Chancen genauso, wie ich Ihnen sagte: zwei zu eins dagegen, daß sich in ihr die Perle befunden hatte. Es blieben zwei Büsten, und es war klar, daß er sich zuerst die vornehmen würde, die in London stand. Ich warnte die Bewohner des Hauses, um eine zweite Tragödie zu verhindern, und wir gingen hin und erreichten das bestmögliche Resultat. Mittlerweile wußte ich sicher, daß es die Perle der Borgias war, worauf er Jagd machte. Der Name des Ermordeten verband ein Ereignis mit dem anderen. Es blieb nur eine Büste übrig – die in Reading –, und in ihr mußte die Perle sein. Ich kaufte die Büste in Ihrer Gegenwart dem Eigentümer ab, und da liegt die Perle.«
Für einen Augenblick saßen wir schweigend.
»Nun«, sagte Lestrade, »ich habe Ihr Vorgehen bei vielen Fällen erlebt, Mr. Holmes, aber ich weiß nicht, ob ich je eine handwerklich sauberere Lösung als in diesem Fall sah. Wir sind nicht eifersüchtig auf Sie in Scotland Yard, nein, Sir, wir sind sehr stolz auf Sie, und wenn Sie morgen zu uns kommen, wird es vom ältesten Inspektor bis zum jüngsten Konstabler keinen Mann geben, der nicht froh wäre, Ihnen die Hand zu schütteln.«
»Ich danke Ihnen!« sagte Holmes. »Ich danke Ihnen.« Und als er sich abwandte, schien es mir, als, hätten ihn die sanfteren menschlichen Gefühle mehr denn sonst angerührt. Einen Moment später war er wieder der kalte und praktische Denker. »Legen Sie die Perle in den Safe, Watson«, sagte er, »und nehmen Sie die Papiere von der Fälscheraffäre Conk-Singleton heraus. Auf Wiedersehen, Lestrade. Wenn Ihnen irgendein kleines Problem über den Weg läuft, werde ich glücklich sein, Ihnen, wenn ich es vermag, ein paar Hinweise zu seiner Lösung zu geben.«
Die drei Studenten
Es war im Jahre ‘95, als das Zusammentreffen verschiedener Ereignisse, auf die ich hier nicht einzugehen brauche, Mr. Sherlock Holmes und mich für einige Wochen in eine unserer großen Universitätsstädte führte, wo wir in das kleine, aber aufschlußreiche
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