Die Wiederkehr von Sherlock Holmes, Bd. 3
Adresse.«
»Ach, das war es. Hat er Ihnen gesagt, was ich bezahlt habe?«
»Nein.«
»Nun, ich bin ein ehrlicher Mann, wenn auch nicht sehr reich. Ich habe für die Büste nur fünfzehn Shilling gegeben; ich denke, das sollten Sie wissen, ehe ich zehn Pfund von Ihnen nehme.«
»Ich bin sicher, daß die Skrupel Ihnen Ehre machen, Mr. Sandeford. Aber ich habe einen Preis genannt, und ich werde dabei bleiben.«
»Das ist sehr großzügig von Ihnen, Mr. Holmes. Ich habe die Büste mitgebracht, wie Sie baten. Hier ist sie!«
Er öffnete die Reisetasche, und endlich erblickten wir auf unserem Tisch ein unversehrtes Exemplar der Büste, die wir schon mehr als einmal in Scherben gesehen hatten.
Holmes zog ein Stück Papier aus der Tasche und legte eine Zehnpfundnote auf den Tisch.
»Sie werden freundlicherweise in Gegenwart dieser Zeugen das Papier unterzeichnen. Sein Inhalt lautet, daß Sie alle Rechte, die Sie an der Büste haben, an mich übertragen. Ich bin ein methodischer Mann. Man weiß nie, welchen Lauf die Ereignisse nehmen werden. Ich danke Ihnen, Mr. Sandeford. Hier ist Ihr Geld. Ich wünsche Ihnen einen sehr schönen Abend.«
Als der Besucher gegangen war, zogen Sherlock Holmes’ Bewegungen unsere Aufmerksamkeit auf sich. Es begann damit, daß er ein sauberes weißes Tuch aus einer Schublade holte und es über den Tisch breitete. Dann stellte er die neuerworbene Büste auf die Mitte des Tuches. Schließlich nahm er seine schwere Jagdpeitsche und versetzte Napoleon einen scharfen Schlag auf den Scheitel. Die Figur zerbrach, und Holmes beugte sich eifrig über die Scherben. Im nächsten Augenblick hielt er mit lautem Triumphruf einen Splitter in die Höhe, in den ein runder dunkler Gegenstand wie eine Pflaume im Pudding eingeschlossen war.
»Meine Herren«, rief er, »darf ich Sie mit der berühmten Schwarzen Perle der Borgias bekannt machen!«
Lestrade und ich saßen einen Augenblick schweigend da; dann brachen wir impulsiv in Beifall aus, wie bei einem gutgesetzten Höhepunkt in einem Theaterstück. Holmes’ blasse Wangen röteten sich jäh, und er verbeugte sich vor uns wie ein Meister des Dramas, der die Huldigungen seines Publikums entgegennimmt. Es war eine der Gelegenheiten, da er für einen Moment aufhörte, Aufklärungsmaschine zu sein, und seine Neigung für Bewunderung und Applaus verriet. Dieser einmalig stolze und zurückhaltende Charakter, der sich voller Unbehagen von aller Popularität abwandte, konnte sich bis in die Tiefen von plötzlichem Wundern und Loben eines Freundes bewegen lassen.
»Ja, meine Herren«, sagte er, »es ist die berühmteste Perle, die es jetzt auf der Welt gibt, und ich hatte das Glück, eine Kette von Schlußfolgerungen zusammenfügen zu können, mit Hilfe derer ich ihrer Spur vom Schlafzimmer des Prinzen von Colonna im Hotel ›Dacre‹, wo sie verlorenging, bis ins Innere dieser Büste, der letzten der sechs Napoleon-Büsten, die bei Gelder & Co. in Stepney hergestellt worden sind, zu folgen vermochte. Sie werden sich, Lestrade, des Aufsehens erinnern, welches das Verschwinden des wertvollen Juwels auslöste, und des vergeblichen Mühens der Londoner Polizei, es wiederzuentdekken. Ich bin selber in dem Fall zu Rate gezogen worden, aber nicht in der Lage gewesen, ihn aufzuhellen. Der Verdacht fiel auf die Zofe der Prinzessin, eine Italienerin, und es wurde erwiesen, daß sie einen Bruder in London hatte, aber wir konnten zwischen den beiden keine Verbindung feststellen. Der Name der Zofe war Lukretia Venucci, und in meinen Augen gibt es keinen Zweifel, daß dieser Pietro, der vor zwei Nächten ermordet wurde, ihr Bruder ist. Ich habe die Daten in alten Zeitungsbänden nachgeschlagen und herausgefunden, daß die Perle genau zwei Tage vor Beppos Verhaftung wegen eines Gewaltverbrechens verschwand, ein Ereignis, das sich in der Fabrik von Gelder & Co. abspielte, und zwar zu dem Zeitpunkt, als diese sechs Büsten hergestellt wurden. Jetzt können Sie sich ein klares Bild von den Vorfällen machen, obwohl Sie sie natürlich in umgekehrter Reihenfolge sehen, als sie sich mir darboten. Beppo besaß die Perle. Vielleicht hatte er sie Pietro gestohlen, vielleicht war Pietro Beppos Komplize, oder aber Beppo war der Mittelsmann zwischen Pietro und dessen Schwester. Für uns hat es keine Bedeutung, welches in dem Punkt die richtige Lösung ist.
Die wichtigste Tatsache besteht darin, daß er die Perle hatte und daß er
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