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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die Menschen. Ihr werdet deshalb zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Ihr und
Euer Freund, der Heide Abu Dun, werdet morgen früh bei Sonnenaufgang auf dem Platz vor dem Stephansdom verbrannt.«
Abu Dun und er waren in getrennten Räumen untergebracht worden, die sich zwar inmitten einer Kirche befanden, dennoch aber
Ähnlichkeit mit Kerkerzellen hatten. Man hatte ihn angekettet, und
da man ihm weder eine Fackel oder irgendeine andere Lichtquelle
gegeben hatte, es kein Fenster gab und niemand zu ihm kam, hatte
Andrej keine Möglichkeit, die Zeitspanne zu schätzen, die vergangen
war, bis die Tür zu seinem Gefängnis wieder geöffnet wurde, und die
Soldaten zurückkamen, um ihn abzuholen. Auch auf dem Gang vor
seiner Zelle herrschte vollkommene Dunkelheit, nur unterbrochen
vom Flackern einer einzelnen Fackel, die die Männer mitgebracht
hatten. Aber er wusste, dass draußen über der Stadt nun bald die
Sonne aufgehen würde. Die Soldaten waren gekommen, um ihn zu
seiner Hinrichtung abzuholen.
Obwohl Andrej nicht einmal den Versuch machte, sich zu wehren,
wurde er von gleich vier Männern gepackt und festgehalten, bis seine
Hand- und Fußgelenke sicher mit stabilen Stricken gebunden waren.
Er konnte jetzt nur noch kleine Schritte machen und musste ständig
aufpassen, dass er nicht fiel.
Die Wachen führten ihn in den prachtvoll eingerichteten Raum, in
dem sie das erste Mal mit Hatschek gesprochen hatten. Der Dompropst selbst war anwesend, genau wie einige seiner Glaubensbrüder,
und Abu Dun traf nahezu gleichzeitig mit ihm ein. Offensichtlich
war seine Wartezeit nicht ganz so ruhig gewesen wie die Andrejs.
Sein Gesicht war ausdruckslos, aber sein Burnus war an mehreren
Stellen zerrissen, und Andrej entdeckte auch Spuren von eingetrocknetem Blut.
Der Dompropst wartete, bis Abu Dun ganz hereingeführt worden
war, dann räusperte er sich lautstark und wandte sich mit kühler
Stimme an Andrej. »Andrej Delãny«, sagte er. »Ihr hattet nun Zeit, in
Euch zu gehen und mit Eurem Gewissen ins Reine zu kommen. Habt
Ihr über Eure Untaten nachgedacht?«
Andrej würdigte ihn nicht einmal einer Antwort, mit der Hatschek
jedoch auch gar nicht gerechnet zu haben schien, denn er fuhr ohne
Unterbrechung fort: »Ich frage Euch also, Andrej Delãny, seid Ihr
bereit, dem Teufel abzuschwören und Eure Seele Gott dem Herrn
anzuvertrauen?«
»Ich nehme nicht an, dass wir begnadigt und mit offenen Armen
wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen würden?«, fragte Andrej spöttisch.
»Gewiss nicht«, antwortete der Dompropst »Euer Leben ist verwirkt. Ihr werdet den Tod in den Flammen finden. Doch Gott der
Herr in seiner unermesslichen Güte bietet Euch die Möglichkeit, Eure Seele zu retten und der ewigen Verdammnis zu entgehen.«
»Das ist wirklich überaus großzügig von Euch, Eminenz«, sagte
Abu Dun spöttisch.
Für einen Moment verlor Hatschek nun doch die Kontrolle über
sich. »Das gilt nicht für dich, Heide!«, zischte er. »Deine Seele wird
in der Hölle schmoren!«
»Wenn das so ist«, antwortete Abu Dun lächelnd, »dann werde ich
dort auf Euch warten und Euch einen guten Platz am Feuer reservieren.«
Hatschek starrte ihn einen Herzschlag lang aus Augen an, die vor
Hass zu lodern schienen, dann wandte er sich wieder an Andrej.
»Und Eure Antwort, Andrej Delãny?«
»Nein, danke«, antwortete Andrej. »Ich verzichte.«
Auch jetzt wirkte Hatschek weder überrascht noch enttäuscht. Andrej war fast sicher, dass er ihn in eine unangenehme Lage gebracht
hätte, hätte er sein Angebot angenommen.
»Ganz wie Ihr wollt«, sagte er kühl. Er gab den Soldaten einen
Wink. »Bringt die Gefangenen fort.«
»Jetzt wäre es allmählich an der Zeit«, knurrte Abu Dun, als die
Soldaten wieder hereinkamen und sie gepackt wurden.
»Wozu?«, fragte Andrej.
»Dass du mir endlich den Trick verrätst, wie man sich in eine Fledermaus verwandelt und davonfliegt.«
Andrej antwortete nur mit einem kurzen Verziehen der Lippen. Abu
Dun hatte wieder arabisch gesprochen, wie immer wenn er nicht
wollte, dass andere seine Worte verstanden, doch Andrej sah auch
das kurze, erschrockene Flackern, das über Hatscheks Gesicht huschte. Der Dompropst verstand diese Sprache zumindest zum Teil. Eine
Spur lauter als Abu Dun antwortete Andrej: »Das wird nichts nützen,
fürchte ich. Sollen diese Dummköpfe ruhig glauben, sie hätten uns
getötet. Aber wer von uns bekommt denn nun die Seele des Pfaffen,
wenn alles vorbei

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