Die Wiederkehr
sie sich dem gewaltigen Prachtbau und hielten auf seiner Rückseite an. Trotz der
vorgerückten Stunde - es musste sehr früh am Morgen sein - waren
die bunten Fenster des Stephansdoms hell erleuchtet, und auch auf
dem Vorplatz glaubte Andrej noch hektische Bewegung zu erkennen,
doch sie wurden zu schnell gepackt und durch eine schmale Seitentür
in die Kirche gestoßen, als dass er Einzelheiten hätte erkennen können. Ein niedriger, in Anbetracht der verschwenderischen Pracht, mit
der der Stephansdom ansonsten protzte, erstaunlich nüchterner Gang
nahm sie auf, dann wurden sie in einen kaum weniger spartanisch
eingerichteten Raum geführt, wo Hatschek, von Salm und ein gutes
halbes Dutzend weiterer kirchlicher, aber auch weltlicher Würdenträger auf sie wartete. Von Salm wich Andrejs Blicke aus, während
der Dompropst voller unverhohlener Befriedigung zusah, wie die
Soldaten sie an zwei schwere Eisenringe ketteten, die offenbar eigens
zu diesem Zweck erst vor kurzem angebracht worden waren.
Auf einen Wink des Dompropstes hin verließen die meisten Soldaten den Raum. Zwei der Männer blieben, und sie steckten auch ihre
Waffen nicht wieder ein.
»Eminenz«, sagte Abu Dun spöttisch. »Wie schön, dass wir uns so
schnell wieder sehen. Damit hatte ich gar nicht gerechnet.«
»Der Spott wird dir schon noch vergehen, Heide«, zischte der
Dompropst. »Dir ist anscheinend nicht klar, warum du hier bist.«
»Um das heilige Abendmahl zu empfangen?«, fragte Abu Dun.
»Das wäre schlecht. Soviel ich weiß, wird dabei auch Wein getrunken - und als Moslem darf ich das nicht, wie Ihr vielleicht wisst.«
»Abu Dun, bitte«, sagte von Salm. »Ihr wisst anscheinend wirklich
nicht, wie ernst die Situation ist!«
Hatschek brachte ihn mit einer herrischen Geste zum Schweigen.
»Ihr verteidigt diesen Heiden also immer noch, Graf? Nun, das wundert mich nicht.«
»Der Graf hat nichts mit alldem zu tun«, sagte Andrej.
»Oh, aber das weiß ich doch«, antwortete Hatschek. »Ich zweifle
nicht daran, dass der Graf in bester Absicht handelt. Jeder hier weiß,
dass er ein aufrechter Mann und über jeden Zweifel erhaben ist.
Doch was nutzt das aufrechteste Herz, wenn der Teufel ihm die Sinne verwirrt?«
»Der Teufel?« Andrej seufzte. Mit nur einem einzigen Satz hatte
der Geistliche von Salms Glaubwürdigkeit erschüttert und ihm somit
jede Möglichkeit genommen, etwa Andrejs Partei zu ergreifen oder
auch nur irgendetwas zu seinen Gunsten vorzubringen.
»Oder vielleicht Ihr?«, fragte Hatschek.
»Zu viel der Ehre«, antwortete Andrej. »Wenn ich wirklich der
Teufel wäre, dann säße ich wohl kaum hier.«
»Manchmal gefällt sich Satan darin, seine Spiele mit uns Menschen
zu spielen«, gab der Dompropst zu bedenken. »Aber wir werden die
Wahrheit schon noch herausfinden.« Er straffte die Schultern, und
seine Stimme wurde kühler und deutlich offizieller. »Andrej Delãny,
Abu Dun, wir haben Euch herbringen lassen, um über Euch zu Gericht zu sitzen. Ihr werdet der Hexerei angeklagt, des Hochverrats
und des mehrfachen Mordes. Gebt Ihr die Euch zur Last gelegten
Verbrechen zu?«
»Ihr habt die Unzucht vergessen«, warf Abu Dun ein. »Aber das
wäre wohl eine ziemlich lange Liste, fürchte ich.«
Hatschek schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. Der schwere Siegelring, den er am Mittelfinger der rechten Hand trug, hinterließ eine halbmondförmige, blutige Schramme auf Abu Duns Wange.
Der Nubier zuckte nicht einmal mit der Wimper, verzog aber die
Lippen zu einem fast wölfischen Grinsen. Ein einzelner Blutstropfen
lief an seinem Gesicht hinab in seinen Mundwinkel. Abu Dun leckte
ihn auf. »Gib Acht, Priesterlein«, warnte er. »Übertreib es nicht, oder
ich fresse deine Seele.«
Im gleichen Moment, in dem er das sagte, schloss sich die Wunde
in seinem Gesicht. Hatschek riss entsetzt die Augen auf, prallte einen
Schritt zurück und schlug hastig das Kreuz. »Gütiger Gott«, keuchte
er. »Das ist der Beweis! Jetzt seht Ihr es alle selbst! Das ist schwarze
Magie! Die Macht des Teufels.«
»Spart Euch doch den Atem, Eminenz«, seufzte Andrej. »Euer Urteil steht doch schon lange fest, habe ich Recht?«
Hatschek starrte ihn eine Sekunde lang hasserfüllt an, aber dann trat
er einen weiteren Schritt zurück und sagte mit ruhiger, fast ausdrucksloser Stimme: »Andrej Delãny. Ihr seid der Hexerei und der
Ausübung der schwarzen Künste überführt, daneben zahlreicher anderer Verbrechen gegen Gott, den Staat und
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