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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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heißt, dass einige meiner Vertrauten, ein Dutzend Huren und Tagediebe und ich selbst von
Eurem Geheimnis Kenntnis haben, Andrej. Und für eine Weile kann
das auch so bleiben.«
»Endlich kommt Ihr zur Sache«, antwortete Andrej. »Was wollt
Ihr?«
»Nichts weniger, als dass Ihr die Stadt rettet«, erwiderte von Salm
lächelnd.
    Gegen Ende war die Kutsche dann doch langsamer geworden. Zugleich war das Peitschenknallen und der Chor aus Flüchen und üblen
Beschimpfungen, der ihren Weg begleitete, immer lauter und aufgeregter geworden. Kurz bevor sie ihr endgültiges Ziel erreichten, blieb
die Kutsche einfach in der Menschenmenge stecken, die die engen
Straßen hier in der Nähe des Stadtzentrums blockierte. Alle gebrüllten Befehle und Verwünschungen der Begleiter von Salms änderten
nichts daran.
    »Lasst es gut sein«, wandte sich von Salm schließlich an den Mann
auf dem Kutschbock. Er öffnete den Wagenschlag, stieg aus und gestikulierte in Andrejs Richtung, ihm zu folgen. »Die letzten Schritte
können wir ebenso gut zu Fuß gehen«, sagte er. »Ein Mann meines
Alters sollte jede Gelegenheit wahrnehmen, sich ein wenig Bewegung zu verschaffen.« Er zog eine Grimasse und trat zurück, um Andrej Platz zu machen, der hinter ihm aus dem Wagen stieg. »Wie oft
habe ich mir in jungen Jahren einen ruhigeren Posten gewünscht!
Und heute habe ich manchmal das Gefühl, hinter meinem Schreibtisch zu versauern. Wie kommt es nur, dass die Menschen immer
gerade das wollen, was sie nicht haben?«
    Andrej hörte gar nicht hin. Er hatte Schmerzen, und er wurde von
düsteren Vorahnungen geplagt, was die Aufgabe anging, die von
Salm zur Bedingung für seine und vor allem Abu Duns Freiheit gemacht - und über die er sich bisher nicht weiter ausgelassen hatte.
    Unbehaglich trat er neben den greisen Grafen und sah sich um. Er
erkannte die Straße wieder, auf der die Droschke angehalten hatte.
Sie befanden sich im Graben, einer schmalen Gasse, die unmittelbar
zum Steffel führte, wie die Einheimischen den Stephansdom nannten,
und diese Erkenntnis gab dem unbehaglichen Gefühl Andrejs neue
Nahrung, denn genau dies war die Gasse, in der der Unbekannte am
vergangenen Abend verschwunden war. Außerdem war da noch sein
weißhaariger Begleiter, von dem er nicht wusste, ob er ihm trauen
konnte. Besser, er blieb auf der Hut.
    Natürlich waren dem Grafen seine unbehaglichen Blicke nicht entgangen. »Fühlt Ihr Euch nicht wohl, Andrej?«, fragte er. »Macht
Euch Eure Wunde zu schaffen?«
    Andrej nickte, nicht nur, weil es die einfachste Antwort war, sondern weil es auch der Wahrheit entsprach. Seine Verletzung machte ihm zu schaffen - nicht einmal so sehr, weil sie schmerzte. Ihr bloßes
Vorhandensein beunruhigte Andrej.
    »Wenn Ihr es wünscht, kann sich mein Leibarzt die Wunde ansehen, sobald wir zurück sind«, schlug von Salm vor. Der sorgenvolle
Unterton in seiner Stimme klang vollkommen echt.
    »Danke«, lehnte er das Angebot kopfschüttelnd ab. »Ich habe seinen letzten Patienten gesehen.«
Von Salm lachte. »Wie Ihr wünscht. Dann lasst uns in die Kirche
gehen und Gott darum bitten, Euch möglichst rasch genesen zu lassen.«
»Ich gehe normalerweise nicht in die Kirche«, antwortete Andrej.
Doch von Salm ließ seinen Widerspruch nicht gelten, sondern
machte nur eine unwillige Geste. »Diese kleine Bitte werdet Ihr mir
doch nicht abschlagen, oder?«
Andrej behielt die scharfe Antwort, die ihm auf der Zunge lag, für
sich und deutete stattdessen nur ein Achselzucken an, woraufhin sich
von Salm umwandte und seinen Weg mit unerwartet schnellen
Schritten fortsetzte.
Da ihnen seine Leibgarde wenig sanft den Weg bahnte, kamen sie
zügig voran. Nach kurzer Zeit traten sie auf den Stephansplatz hinaus. Die Morgenmesse war zwar längst vorüber, aber die Menschen
strömten trotzdem in Scharen in die Kirche, um ihren Gott um Beistand gegen die drohende Gefahr, die von den Türken ausging, anzuflehen.
Noch immer fühlte Andrej sich unbehaglich. Der Stephansplatz,
über den sie jetzt schritten, hatte so wenig Ähnlichkeit mit dem verlassenen Ort der letzten Nacht, dass es nicht allein die Erinnerung an
ihre unheimliche Begegnung sein konnte, die ihm so zusetzte.
Sie erreichten die offen stehende Tür des Doms, zu der von Salms
Wache ihnen mit immer größerer Rücksichtslosigkeit einen Weg
gebahnt hatte. Plötzlich durchbrach eine ältere Frau den lebenden
Schutzwall, den das knappe Dutzend Männer um Andrej und ihren

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