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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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betastete die klaffende Wunde
in seiner Wange. Selbst das Sprechen fiel ihm plötzlich schwer.
»Immerhin habe ich verloren«, murmelte er.
Von Salm machte eine wegwerfende Geste. »Ich bin kein abergläubischer Mensch, Andrej, aber wenn Ihr mich fragt, dann habt Ihr gegen den Teufel persönlich gekämpft. Kein Mensch aus Fleisch und
Blut hätte diesen Kampf gewinnen können.« Er runzelte die Stirn.
»Und Ihr sagt, Ihr kennt diesen Mann? Wer ist er?«
Andrejs Gedanken bewegten sich immer träger. Von Salms Gesicht
begann vor seinen Augen zu verschwimmen. Aber er las die gleiche
Frage, die von Salm gestellt hatte, auch in Abu Duns Augen. »Ich
habe ihn einst gekannt«, murmelte er. »Vor langer Zeit. Ich dachte,
er wäre tot, aber ich habe mich getäuscht. Sein Name ist Frederic.«
Abu Dun riss ungläubig die Augen auf und sagte etwas, das Andrej
schon nicht mehr verstand. Die Welt hörte auf, sich immer schneller
um ihn zu drehen. Sie erlosch.
Andrej brach zusammen, und Abu Dun konnte gerade noch sein
Schwert fallen lassen und die Arme ausstrecken, um ihn aufzufangen.
    Als er erwachte, stach helles Sonnenlicht wie mit dünnen weißen
Nadeln durch seine geschlossenen Lider, und er hatte entsetzliche
Kopfschmerzen. In seinem Mund war ein übler Geschmack nach
Erbrochenem, und als er versuchte, sich zu bewegen, konnte er es
nicht.
»Ich glaube, er wacht auf.«
Bruchstücke von Bildern und vollkommen sinnlose Erinnerungsfetzen wirbelten hinter seiner Stirn durcheinander und versuchten, ihn
noch mehr zu verwirren, als er es ohnehin schon war, aber das gestattete Andrej ihnen nicht. Die Stimme kam ihm bekannt vor, er wusste
jedoch nicht, wem sie gehörte. Zugleich dämmerte ihm, dass dieser
Gedanke vollkommen absurd war, denn diese Stimme hatte ihn mehr
als ein halbes Jahrhundert lang durch sein Leben begleitet. Irgendetwas musste also mit seinem Erinnerungsvermögen nicht in Ordnung
sein.
    Das war ungewöhnlich. Es wäre erschreckend gewesen, hätte er
sich in einer Verfassung befunden, sich einem derart intensiven Gefühl zu stellen. Er musste wohl die Augen öffnen, um zu sehen, wem
die Stimme gehörte.
    Er versuchte es, aber das Licht tat so weh, dass er die Lider mit einem schmerzerfüllten Einziehen der Luft wieder schloss, und eine
andere, Andrej vollkommen unbekannte Stimme sagte: »Das Licht
scheint ihm unangenehm zu sein. Ihr solltet die Vorhänge schließen.
Ich gehe derweil und hole den Medicus.«
    Andrej hörte Schritte und das Rascheln von schwerem Stoff, dann
wurde das Licht milder. Selbst als er vorsichtig die Lider hob, trieb
es ihm sofort wieder die Tränen in die Augen.
    Aber wieso Vorhänge?, dachte Andrej matt. In der heruntergekommenen Kaschemme, die Malik sein »Gasthaus« nannte, gab es
keine Vorhänge. Andrej bezweifelte, dass der Wirt überhaupt wusste,
was das Wort bedeutete.
    Die Schritte entfernten sich, dann fiel eine Tür ins Schloss. Als Andrej die Augen vollends öffnete und sich in dem gedämpften Licht
umsah, das zwischen den schweren samtenen Vorhängen hereindrang, hatte er die Antwort auf zumindest diese eine Frage. Er war
nicht im Goldenen Eber. Er lag auf einem breiten, sehr komfortablen
Bett in einem großen Zimmer, das mit seidenen Tapeten, kostbaren
Möbeln, wertvollen Teppichen und Bildern ausgestattet war. Das
Einzige, das nicht in diesen Raum passte, war der dunkel gekleidete,
schwarzgesichtige Riese, der soeben die Vorhänge geschlossen hatte
und nun zu ihm zurückkam.
    Beim Anblick des schwarzen Gesichts unter dem gleichfarbigen
Turban stöhnte Andrej übertrieben und schloss die Augen wieder.
»Ich muss tot sein«, murmelte er, »aber wenigstens bin ich nicht in
der Hölle.«
»Wieso?«
    »Weil man einen so hässlichen Kerl wie dich nicht einmal dort hineinlassen würde«, antwortete Andrej.
Abu Dun lachte. »Zumindest dein Humor hat nicht gelitten. Deine
Scherze sind noch immer genauso schal wie früher.«
Er stieß erneut ein Lachen aus, aber Andrej entging weder der leicht
bemühte Klang seiner Stimme noch das Funkeln von Sorge, das er
nicht ganz aus seinem Blick verbannen konnte. Etwas stimmte hier
nicht.
Während Abu Dun scharrend einen Stuhl heranzog und sich darauf
niederließ, versuchte sich Andrej aufzurichten. Es gelang ihm, aber
die Bewegung bereitete ihm unerwartet große Mühe und wurde von
einem dumpfen Schmerz begleitet, der sich durch seine gesamte linke Körperhälfte zog.
Mehr verwirrt als erschrocken schlug

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