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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu sein. »Das sieht ja schon ganz hervorragend aus«, sagte er. »Noch
ein paar Tage Ruhe und Ihr werdet die Wunde kaum noch spüren.«
Andrej schluckte alles herunter, was ihm auf der Zunge lag. Breitenecks Worte waren einfach grotesk, aber das bloße Dasein der
Wunde war mindestens genauso bizarr. Was ging hier vor?
Abu Dun kam zurück und brachte eine Schüssel mit heißem Wasser
und frisches Verbandszeug. Breiteneck tat in den nächsten Minuten
sein Möglichstes, um Andrejs Abneigung gegen Ärzte und Heilkundige aller Art zu bestätigen. Andrej nahm zu seinen Gunsten an, dass
er wusste, was er tat, und dass er das, was er tat, auch gut tat - aber er
fügte ihm kaum weniger Schmerzen zu, als Frederic es während des
Kampfes unten in den Katakomben getan hatte. Andrej biss mehr als
einmal die Zähne zusammen, um einen Schmerzenslaut zu unterdrücken.
Nachdem er seine Schulterwunde und auch die ältere in der Brust
versorgt hatte, bedeutete er Andrej mit Gesten, sich aufzusetzen, und
machte sich dann an seinem Gesicht zu schaffen. »Das sieht ebenfalls nicht schlecht aus«, sagte er, »aber ich fürchte, eine Narbe wird
wohl zurückbleiben.«
»Ganz bestimmt nicht«, antwortete Andrej ohne Zögern.
Breiteneck widersprach nicht, sondern sah ihn nur einen Moment
lang traurig an, dann wandte er sich zu Abu Dun um und nickte ihm
immer noch wortlos zu. Der Nubier trat an eine kleine Kommode
unter dem Fenster und kam mit einem zierlichen, in Silber gefassten
Spiegel zurück.
Andrej war verwirrt - und noch mehr beunruhigt, denn er hatte mit
jeder Sekunde mehr das Gefühl, Zuschauer einer sorgsam inszenierten Farce zu sein, deren Verlauf Abu Dun und der Medicus genau
abgesprochen hatten. Mit klopfendem Herzen griff er nach dem
Spiegel.
Breiteneck hatte die Wahrheit gesagt. Andrej starrte länger als eine
Minute wortlos in den Spiegel. Schließlich hob er die Hand und fuhr
mit den Fingerspitzen über die dunkelrote, wulstige Narbe, die sich
halbmondförmig über seine linke Wange zog. Er hatte genug Verletzungen gesehen, um zu wissen, dass sie bald verblassen würde. Aber
auch, dass sie nicht ganz verschwinden würde.
»Gewöhn dich besser an den Anblick«, empfahl Abu Dun spöttisch.
»Allah sei Dank warst du ja niemals besonders eitel. Und man sagt
ja, dass so eine Narbe bei den Frauen gut ankommt.«
»Aber das ist doch unmöglich«, murmelte Andrej. Fassungslos fuhr
er immer wieder mit den Fingerspitzen über die entzündete Stelle.
»Ich fürchte, das ist möglich«, sagte Breiteneck, und Abu Dun fügte hinzu: »Du wirst in Zukunft wohl der einzige Vampyr mit einer
Narbe sein.«
Andrej starrte ihn entsetzt an, doch bevor er auch nur ein Wort hervorbringen konnte, hob Breiteneck die Hand und sagte: »Es ist gut,
Delãny. Ich weiß, wer Ihr seid. Und ich weiß auch, was Ihr seid.«
»Was soll das heißen?«, wollte Andrej wissen. »Abu Dun, hast du
den Verstand verloren?«
Abu Dun und Breiteneck tauschten einen raschen Blick, der Andrej
noch viel weniger gefiel als alles, was er zuvor beobachtet hatte.
»Ich weiß, Ihr müsst mich für Euren Feind halten«, begann Breiteneck unbehaglich. »Nach dem, was zwischen uns vorgefallen ist, kann
ich das gut verstehen. Ich kann Euch nur um Verzeihung bitten. Aber
lasst mich erklären, warum…«
»Er hat gedacht, wir gehören zu diesem anderen Vampyr, der in
den Katakomben sein Unwesen treibt«, unterbrach ihn Abu Dun.
Andrej wollte eine Frage stellen, fing aber im letzten Moment einen
warnenden Blick des Nubiers auf und beließ es bei einem angedeuteten Nicken. Abu Dun hatte den Namen Frederic ganz bewusst vermieden. Vielleicht vertraute er Breiteneck doch nicht ganz so vorbehaltlos, wie dieser anzunehmen schien.
»Ihr wisst also, wer wir sind«, sagte er.
Breiteneck rettete sich in ein Lächeln, das keinem anderen Zweck
diente, als Zeit zu gewinnen. »Wäre das anders, so hättet Ihr wohl
kaum die weite Reise hierher auf Euch genommen, nur um mit mir
zu sprechen, oder?«, fragte er.
Wieder sah Andrej den Nubier halb fragend, aber auch ein wenig
alarmiert und vorwurfsvoll an. Wie es schien, hatten Breiteneck und
Abu Dun tatsächlich eine Menge Zeit gehabt, miteinander zu reden.
Andrej war nicht sicher, ob ihm das gefiel.
»Ihr wisst also, wer wir sind«, begann er noch einmal. »Woher?«
»Glaubt es, oder lasst es bleiben«, antwortete Breiteneck mit einem
angedeuteten Lächeln, »aber ich weiß nicht mehr, wann ich von der
Existenz von…

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