Die Wiederkehr
Menschen wie Euch erfahren habe.«
Andrej entging nicht, auf welch sonderbare Art Breiteneck die
Worte Menschen wie Euch betont hatte. Er war sicher, dass er eigentlich etwas ganz anderes hatte sagen wollen.
»Ich war noch ein ganz junger Mann, fast ein Kind«, fuhr Breiteneck fort. »Irgendwann habe ich entdeckt, dass hinter den alten Legenden und Geschichten mehr steckte als nur purer Aberglaube. Ich
glaube, dieses Wissen war der Grund, aus dem ich Arzt geworden
bin.« Sein Lächeln wurde wehmütig. »Es fällt Euch vielleicht
schwer, es zu glauben, Delãny, aber ich war einmal ein angesehener
Mann in dieser Stadt.«
Beim Anblick der heruntergekommenen, verhärmten Gestalt fiel es
Andrej tatsächlich schwer, das zu glauben - aber es war ihm auch
schwer gefallen, eben diesen Anblick mit dem Namen des Mannes in
Verbindung zu bringen, dessen Ruf sie durch halb Europa hierher
geführt hatte, als sie Breiteneck das erste Mal gegenübergestanden
hatten. Er nickte nur. »Was ist geschehen?«
»Ich habe mich wohl zu intensiv mit Dingen befasst, über die man
besser nicht spricht«, antwortete Breiteneck ausweichend. Andrej
war klar, dass er auch jetzt nicht darüber sprechen wollte. »Eine Zeit
lang hatte ich einflussreiche Freunde in der Stadt, die ihre schützende
Hand über mich gehalten haben. Vielleicht habe ich mich zu sicher
gefühlt, aber…« Er brach ab. Zwei, drei Atemzüge lang starrten seine Augen blicklos geradewegs durch Andrej hindurch, dann gab er
sich einen sichtlichen Ruck und wechselte die Betonung.
»Unsere Zeit ist begrenzt«, sagte er, plötzlich in dozierendem, distanziertem Ton, der aus der nicht ganz sauberen, abgerissenen Gestalt trotz allem wieder einen ganz anderen Mann machte, den man
vielleicht nicht mögen, auf jeden Fall aber respektieren musste. »Ich
habe Eurem Freund alles erzählt, was ich über Euch weiß, und das
meiste von dem, was ich vermute. Er kann Euch später in Ruhe alles
erklären. Von mir jetzt nur so viel: Ihr glaubt vielleicht, verflucht zu
sein, von Gott oder dem Teufel bestraft, aber das stimmt nicht. Was
Euch zugestoßen ist, hat nichts mit Gott oder dem Teufel zu tun. Und
sollte der Mensch tatsächlich so etwas wie eine unsterbliche Seele
haben, so ist die Eure nicht in Gefahr, soweit ich das beurteilen
kann.«
Andrej wurde hellhörig. »Wie meint Ihr das?« Sein Herz begann zu
klopfen. Konnte es sein, dass er jetzt endlich erfuhr, was er war? Warum ihn ein grausames Schicksal von einem ganz normalen, glücklichen jungen Mann, der ein vielleicht einfaches und ganz bestimmt
viel zu kurzes, dennoch aber halbwegs glückliches Leben vor sich
hatte, zu einem Wanderer durch die Zeiten hatte werden lassen, einem Verfluchten, dazu verurteilt, ruhelos durch die Ewigkeit zu streifen und jedem, der das Pech hatte, seinen Weg zu kreuzen, Unglück
und schließlich den Tod zu bringen?
Breiteneck, dem seine plötzliche Erregung nicht entgangen war,
hob besänftigend die Hand. »Bitte beruhigt Euch, Delãny«, sagte er.
»Ich kann mir vorstellen, wie Ihr Euch jetzt fühlt, doch was ich Euch
zu sagen habe, wird Euch nicht erfreuen. Ihr werdet bestenfalls enttäuscht sein, wahrscheinlicher sogar entsetzt.«
»Ganz bestimmt nicht«, antwortete Andrej ungeduldig. Breiteneck
wusste ja nicht, was er da sprach. Er wanderte jetzt schon so lange
ruhelos durch die Ewigkeit, dass ihn nichts mehr erschrecken konnte.
Er hatte alles Entsetzliche, wozu Menschen im Stande waren, schon
gesehen. Mehr, als Breiteneck sich auch nur vorzustellen vermochte.
Der Medicus hob die Schultern und bedachte ihn mit einem Blick,
der sehr deutlich ich habe dich gewarnt zu sagen schien, und auch
Abu Dun mied plötzlich seinen Blick. »Wie Ihr wollt«, seufzte Breiteneck. Seine Stimme wurde endgültig dozierend. Andrej hätte sich
ihn in diesem Moment gut im Hörsaal einer Universität vorstellen
können, wie er hinter seinem Pult stand und einen Vortrag hielt, während seine Studenten gedrängt auf den Galerien über ihm standen
und seinen Worten lauschten. »Ich habe viele von Euch untersucht,
und auch… andere, erschreckendere Wesen. Ihr glaubt, verdammt zu
sein, vom Schicksal ausgestoßen und für irgendetwas bestraft?« Er
schüttelte heftig den Kopf. »Was Euch getroffen hat, Andrej, ist eine
Krankheit. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Eine… Krankheit?« Andrej wusste nicht, ob er lachen oder den
Medicus einfach für verrückt erklären sollte. Das war
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