Die Wiederkehr
diese Welt. Sie waren da.
Andrej zog lautlos sein Schwert und wollte sich in Bewegung setzen, doch in diesem Moment hörte er ein Geräusch hinter sich und
fuhr herum. Sein Schwert kam in einer Bewegung hoch, die zu
schnell war, als dass das Auge ihr folgen konnte, und verharrte dicht
vor der Kehle des Leutnants.
»Was, zum Teufel, sucht Ihr hier?«, keuchte Andrej erschrocken.
Der junge Soldat starrte aus hervorquellenden Augen auf die
Schwertklinge, die noch immer reglos vor seiner Kehle hing. »Ich…
ich habe den Männern Bescheid gesagt«, stammelte er. »Sie sind…
äh… auf dem Weg.« Er schluckte hart. »Könntet… Ihr… vielleicht
das… das Schwert…?«
Andrej ließ die Klinge sinken. »So schnell?«
»Ich habe einen von ihnen gleich oben vor der Tür getroffen«, antwortete der Leutnant. »Ich dachte, ich sage Euch Bescheid.«
»Und lasst Euch bei der Gelegenheit gleich einen Kopf kürzer machen«, sagte Andrej kopfschüttelnd. »Schleicht Euch nie wieder an
mich heran.«
»Bestimmt nicht«, versicherte der Leutnant hastig. Schweiß perlte
auf seiner Stirn, obwohl es hier unten so kühl war, dass Andrej schon
fast eine Gänsehaut bekam.
Abu Dun schüttelte mit einem ergebenen Seufzen den Kopf, drehte
sich um und ging mit schnellen Schritten los. »Dann kommt in Gottes Namen mit«, entschied Andrej. »Aber keinen Laut.«
Ganz genau konnte er selbst nicht sagen, warum - aber er hatte das
Gefühl, dass es sich als wichtig erweisen könnte, den jungen Mann
dabei zu haben.
Abu Dun hatte mittlerweile die Schutthalde erreicht und machte
sich daran zu schaffen. Steine kollerten, dann wehte ihnen ein frischer Luftzug entgegen, vermengt mit dem beißenden Gestank verbrannten Schießpulvers. Abu Dun trat zurück, überlegte einen Moment und wuchtete dann ohne sichtbare Mühe einen Steinbrocken
zur Seite, den Andrej selbst mit aller Kraft vermutlich nicht einmal
hätte bewegen können. Das Ergebnis war eine Steinlawine, die ihnen
allen die Füße zerquetscht hätte, hätten sie sich nicht mit hastigen
Sprüngen in Sicherheit gebracht.
Der Staub wirbelte so hoch, dass sie keine Luft mehr bekamen und
sich hastig noch ein paar Schritte weiter zurückzogen. Für einen
Moment glaubte Andrej ein tiefes, machtvolles Grollen zu hören, ein
Laut, als rege sich tief unter ihren Füßen ein Drache, der im Schlaf
gestört worden war.
Unwillkürlich sah er nach oben. War es Einbildung, oder bewegte
sich die Decke tatsächlich wie ein sturmgepeitschtes Segel?
»Falls du Solimans Arbeit zu Ende bringen willst, solltest du vorher
mit ihm über den Sold verhandeln«, schlug er Abu Dun vor.
Das Lachen, mit dem Abu Dun antwortete, ging in ein gequältes
Husten über. »Na und?«, fragte er, nachdem er wieder halbwegs zu
Atem gekommen war. »Hier kommt jedenfalls keiner mehr durch.«
Was nichts daran änderte, dass hinter dieser eingestürzten Wand
jemand war, dachte Andrej. Das vage Gefühl schien mit jedem Atemzug deutlicher zu werden. Die unheimlichen Kreaturen waren da,
direkt auf der anderen Seite der Schutthalde.
Andrej verständigte sich mit einem lautlosen Blick mit Abu Dun.
Der Nubier spürte es ebenso deutlich wie er.
»Ich kenne einen anderen Weg«, sagte der Leutnant plötzlich.
Sowohl Andrej als auch Abu Dun drehten sich gleichermaßen überrascht um und sahen ihn an. »Auf die andere Seite?«, vergewisserte
sich Abu Dun überflüssigerweise.
Ganz egal wohin, Hauptsache hier raus, antwortete der Blick des
jungen Soldaten. Aber er nickte nur. »Ja.«
»Dann zeigt ihn uns«, sagte Andrej rasch. »Und betet, dass der
Bautrupp schnell genug kommt, bevor uns noch die halbe Stadt auf
den Kopf fällt.«
Zumindest die letzte Bemerkung bedauerte er schon, kaum dass er
die Worte ausgesprochen hatte, denn prompt löste sich ein fast kopfgroßer Brocken aus der Decke und polterte dicht neben Abu Dun zu
Boden. Der Nubier bückte sich danach, drehte ihn einen Moment in
der Hand und sah dann ebenso nachdenklich nach oben. »Ich frage
mich, ob es stimmt«, sagte er versonnen.
»Was?«, fragte Andrej.
»Ein alter Baumeister, den ich einst getroffen habe«, antwortete
Abu Dun, »hat mir erzählt, dass es in jedem noch so stabilen Gewölbe einen ganz bestimmten Stein gibt. Wenn man ihn herauszieht,
bricht alles zusammen.«
Andrej wandte sich wortlos an den Leutnant und machte eine Geste
zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Sie eilten den Weg zurück, bis sie den Mauerdurchbruch zum
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