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Die Wiederkehr

Die Wiederkehr

Titel: Die Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schreckensbleich.
»Die Türken!«, keuchte er. »Sie haben die östliche Mauer gesprengt und brechen durch!«

Die Bresche war nicht so groß, wie es aus der Ferne den Anschein
gehabt hatte, doch die Explosion und der anschließende Regen aus
brennenden Trümmern und Steinbrocken hatte einen immensen
Schaden angerichtet. Mindestens ein halbes Dutzend Häuser stand in
Flammen und würde bis auf die Grundmauern niederbrennen, und
eine noch größere Anzahl von Gebäuden war schwer beschädigt.
    Überall lagen Steine und brennendes Holz, und Andrej konnte
selbst von seinem entfernten Standpunkt aus erschreckend viele Gestalten sehen, die reglos zwischen den Trümmern lagen. Niemand
kümmerte sich um sie. Wer nicht damit beschäftigt war, gegen die
eingedrungenen Türken zu kämpfen oder die brennenden Gebäude
zu löschen, hatte sein Heil in der Flucht gesucht - wenngleich die
meisten in der Masse der Soldaten stecken geblieben waren, die aus
allen Richtungen herbeiströmten, um die eingedrungenen Angreifer
zurückzuschlagen.
    Zumindest der Gegenangriff würde vermutlich von Erfolg gekrönt
sein, dachte Andrej: Von dem Mauerabschnitt aus, auf den von Salm
und sie geeilt waren, hatte er einen guten Blick auf die Stelle, an der
die Pulverladung ein Loch in die Mauer gerissen hatte. Was von
Salm über die Festigkeit der Stadtmauern Wiens gesagt hatte, schien
der Wahrheit zu entsprechen. Selbst die gewaltige Sprengladung, die
unter ihrem Fundament explodiert war, hatte nur eine doppelt
mannsbreite und kaum zwei Meter hohe Bresche in die Mauer gerissen, die nicht einmal annähernd ausreichte, um eine ernst zu nehmende Anzahl von Angreifern passieren zu lassen. Die Verteidiger
schlachteten sie fast schneller ab, als sie hereinkommen konnten, und
der Angriff hatte auch schon deutlich an Schwung verloren - was
sicher auch daran lag, dass auf der Mauer unmittelbar über der beschädigten Stelle mindestens hundert Schützen Aufstellung genommen halten, die mit Gewehren, Bögen und Armbrüsten auf die türkischen Truppen schossen.
    Dennoch wirkte von Salm sehr beunruhigt, und als Andrejs Blick
seiner Geste folgte, verstand er, warum. Die Bresche in der Mauer
mochte nicht besonders breit sein, doch ein Teil der Straße davor
hatte sich deutlich abgesenkt, wie ein altes, mit Schiefer gedecktes
Dach, dessen Balken unter der Last der Jahre allmählich nachzugeben begannen.
    »Die Katakomben?«, fragte er.
»Oder der Tunnel, den sie gegraben haben«, antwortete von Salm
düster. »Wir müssen die Straße abstützen. Wenn sie nachgibt, könnte
dieser ganze Mauerabschnitt zusammenbrechen.« Er wandte sich an
den jungen Leutnant neben sich. »Kennt Ihr Euch in diesem Teil der
    Kanäle aus?«
Der Mann nickte, und von Salm fuhr fort: »Dann nehmt Euch dreißig Männer und geht hinunter. Ich schicke einen Trupp Männer, der
die Bresche mit Balken verschließt, sobald klar ist, dass Solimans
Truppen nicht auch dort unten einzudringen versuchen.«
»Nein«, sagte Andrej rasch. »Es ist besser, wenn wir gehen.«
    Von Salm schüttelte sofort und mit großem Nachdruck den Kopf.
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, befand er. »Ihr seid viel zu
wichtig, als dass Ihr Euer Leben bei dieser Mission gefährden dürftet.«
    »Und wenn sie dort unten auf Frederic und seine Kreaturen treffen?«, fragte Andrej. »Habt Ihr vergessen, wo wir das erste Mal auf
sie gestoßen sind, Graf? Wenn dort unten keine Türken sind, sondern
Frederic und seine Höllenbrut, dann werdet Ihr keinen Eurer Krieger
wieder sehen.« Er hob die Schultern. »Und wenn doch, dann werden
sie nicht mehr auf Eurer Seite stehen. Und sie werden Euch nicht
gefallen.«
    Von Salms Augen wurden schmal. »Was meint Ihr damit?«
»Erinnert Ihr Euch an Thilo, den Hauptmann der Kanalwache?«
»Sicher«, sagte von Salm. »Aber er ist tot.«
»Ich habe ihn gestern Nacht getroffen«, sagte Andrej. »Zusammen
mit Frederic.«
    Von Salm wurde noch ein wenig blasser, als er ohnehin schon war,
und fuhr sich nervös mit der Hand über das Kinn. »Also gut«, lenkte
er widerstrebend ein. »Aber versprecht mir, kein unnötiges Risiko
einzugehen. Wien braucht Euch dringender als ein Stück der Stadtmauer.«
    Andrej wandte sich an den Leutnant. »Zeigt uns den Weg«, bat er.
Die wilde Hoffnung, die für einen kurzen Moment in den Augen
des Mannes aufgeflammt war, erlosch und machte dumpfer Furcht
Platz. Aber er nickte sofort. Dennoch zögerte er, während er

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