Die Wiederkehr
Dann aber wandte sich Frederic wieder dem Sultan zu und fuhr fort: »Vielleicht drei oder vier.
Auf keinen Fall mehr als eine Woche.«
Erneut überlegte Soliman. »Drei Tage«, sagte er dann. »Den heutigen mitgerechnet. Ich werde meine Generäle anweisen, die Angriffe
fortzusetzen, aber dabei nicht zu erfolgreich zu sein, um von Salms
Misstrauen nicht zu wecken. Doch wenn ich in drei Tagen die Tore
zum Herzen der Stadt nicht offen finde, wie Ihr es mir zugesagt habt,
dann werde ich meine Füße nicht nur auf von Salms Schädel setzen,
wenn ich den Thron Wiens besteige.«
Er starrte Frederic noch einen Atemzug lang an, um seine Worte
gebührend wirken zu lassen, dann fuhr er mit einer ruckartigen Bewegung herum und verschwand mit wehendem Mantel in der Dunkelheit. Seine Leibwache folgte ihm so lautlos, wie sie aufgetaucht
war, und nur einen Herzschlag später waren alle verschwunden.
Auch durch die Reihe der im Schatten stehenden Untoten lief eine
rasche, lautlose Bewegung, und Andrej rechnete für einen Moment
fest damit, dass sie nun aus ihrer Erstarrung erwachen und Soliman
und seinen Kriegern hinterhereilen würden. Frederic war kein Mann,
der sich drohen ließ. Auch nicht von einem Sultan.
Nichts dergleichen geschah. Die Bewegung erstarb. Frederic drehte
sich ganz langsam um und ließ seinen Blick abermals, und diesmal
sehr aufmerksam, durch den Raum gleiten.
Andrej erstarrte. War es möglich, dass Frederic sie nicht spüren
konnte? Obwohl er zweifellos über dasselbe scharfe Sehvermögen
wie Abu Dun und er verfügte, glaubte er nicht, dass er sie sehen
konnte, denn er musste vom Licht seiner eigenen Fackeln geblendet
sein. Trotzdem wartete er mit angehaltenem Atem, bis Frederic sich
wieder abgewandt hatte, bevor er Abu Dun und dem Leutnant mit
hastigen Gesten signalisierte, sich wieder zurückzuziehen.
Andrej rechnete kaum damit, aber sie erreichten den Ausgang der
Halle, ohne dass Frederic oder eine seiner Kreaturen auf sie aufmerksam wurden.
Der Leutnant wollte eine Frage stellen, aber Andrej winkte hastig
ab und machte eine Geste in die Richtung, aus der sie gekommen
waren. Sie waren noch lange nicht in Sicherheit. Frederic war aus
irgendeinem Grund misstrauisch geworden, und er war nicht so alt,
und vor allem zu dem geworden, was er heute war, weil er leichtsinnig gewesen wäre.
Der Leutnant schüttelte jedoch entschieden den Kopf und deutete in
die andere Richtung, tiefer in die Katakomben hinein. Seine Bewegung wirkte so überzeugt, dass Andrej ihn nur wortlos aufforderte
vorauszugehen.
Ihr Weg führte sie weiter in das Labyrinth hinein. Damit hatte Andrej gerechnet, ebenso wie mit dem Umstand, schon nach wenigen
Augenblicken endgültig die Orientierung zu verlieren.
Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass sie immer langsamer
vorwärts kamen. Ihr Tempo sank im gleichen Maße, in dem der Weg
schwieriger und die Stollen unübersichtlicher wurden.
Nichts davon hätte ihn erschreckt oder auch nur beunruhigt, doch
Frederics Geschöpfe waren nach wie vor in ihrer Nähe. Andrej war
noch immer nicht im Stande, sie zu orten oder auch nur ihre ungefähre Anzahl zu bestimmen, aber sie waren eindeutig da.
»Wir haben Gesellschaft«, knurrte Abu Dun, der dicht hinter ihm
ging. Auch er sprach jetzt arabisch.
»Ich weiß«, antwortete Andrej in derselben Sprache. Mehr sagte er
nicht, machte aber eine Kopfbewegung in Richtung des vorauseilenden Leutnants. Mit Abu Dun an seiner Seite sah er auch einem Zusammentreffen mit einer größeren Anzahl der Untoten gelassen entgegen. Aber sie waren nicht allein, und Andrej hatte wenig Lust,
schon wieder einen Menschen sterben zu sehen, der dumm genug
gewesen war, ihm helfen zu wollen. »Und Ihr seid sicher, dass wir
auf dem richtigen Weg sind?«, fragte er nach einer Weile.
»Ganz sicher«, antwortete der Soldat, ohne sich zu ihm umzudrehen oder auch nur im Schritt zu stocken. »Es ist nicht mehr weit.« Er
deutete nach vorn. »Dort - seht Ihr?«
Andrejs Blick folgte seiner deutenden Geste. Tatsächlich schimmerte es in unmittelbarer Nähe hell. Von irgendwoher drang Tageslicht in das unterirdische Labyrinth. Sie gingen schneller, aber Andrej spürte, dass auch ihre Verfolger an Tempo zulegten. Das konnte
kein Zufall sein. Die Untoten wussten, dass sie hier waren, und holten langsam auf. Sie würden kämpfen müssen. Und das vielleicht
eher, als er bisher angenommen hatte.
Auch vor ihnen waren jetzt Schritte zu hören. Andrej vernahm ein
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