Die Wiederkehrer
Rückseite der Buchumschläge der Romane die meine Mutter liest, gibt es das Foto einer Autorin, die genauso aussieht. Wie eine siebzigjährige Barbiepuppe.“
„Ich weiß, wen du meinst“, rief Bernd aus, „… Barbara … na … Barbara … Dings.“ Er schnippte mit den Fingern. „Cartland! Genau! Aber hey, die war verdammt erfolgreich, hat über siebenhundert Romane geschrieben!“
„Du musst dich da ja auskennen!“, kicherte Niko.
„Gegen den Erfolg hätte ich nichts einzuwenden“, gab Bernd zu, leerte die Flasche mit einem letzten Schluck, stellte sie ab und meinte: „So, jetzt geht’s wieder an die Arbeit. Ich stecke ja eigentlich mitten in einer Sexszene. Wie schäbig von mir, die Jungs so warten zu lassen.“
„Jungs?“, fragte Niko irritiert.
Bernd ging auf die Frage nicht ein, stieß sich von der Anrichte ab und sagte beim Hinausgehen: „Schön, dich kennengelernt zu haben, Niko. Vielleicht kommst du mal auf einen nachbarschaftlichen Plausch vorbei.“ Er sagte tatsächlich
Plausch
, „Die Wäsche bring ich dir besser erst gegen Mittag vorbei, wenn ich mich hier so umsehe.“
„Ist gut“, meinte Niko und winkte ihm nach. Er
winkte
ihm! Was war denn mit
ihm
los? Überhaupt fand er es unheimlich schade, dass Bernd schon ging. Niko hatte seine Anwesenheit genossen. Bernd hatte eine angenehme Ausstrahlung und man konnte gut mit ihm reden. Die anderen hier waren so …
kindisch.
Kein Wunder, immerhin waren sie zehn Jahre jünger als Niko – zumindest seelisch, sein Körper war ja auch wieder zarte zwanzig. Niko und Bernd waren
in Wahrheit
vermutlich gleich alt.
Ein weiteres Mal ertappte sich Niko dabei, zu bedauern, dass Bernd nicht Raffael Hagen war. Schade. Sehr schade. Er musste sich eingestehen, dass er es sich tatsächlich vorstellen konnte, diesen Mann zu küssen. Zumindest nur, um zu erfahren, wie sich das anfühlte. Vielleicht ein Probedurchgang …, um dann gewappnet zu sein für Raffael Hagen. Gott! Was dachte er denn da!
Kammerschwingen
Als Niko am nächsten Tag erwachte, fühlte er sich erstaunlich frisch, dabei hatte er gestern beim Alkohol noch richtig zugelangt. Er hatte ganz vergessen, wie gut ein jugendlicher Körper einen Rausch verkraftete. Geile Sache. Er gähnte, kratzte sich den Hintern und am Kopf, fuhr sich durch die braunen, verstrubbelten Haare und tapste über das Schlachtfeld. Die meisten Gäste waren bereits vor Stunden heimgegangen – nur der harte Kern lag wie erschossen herum und schnarchte. Boah, der Gestank war unerträglich! Alkohol, kalter Zigarettenrauch, Schweiß, Erbrochenes.
Klaus hing halb auf dem Sofa und halb auf dem Boden – wobei es die obere Körperhälfte war, die am Boden weilte. Simon lag wie aufgebahrt in der Mitte des Raumes, die Hände über dem Bauch gefaltet, den Mund offen. Fredi saß aufrecht an die Wand gelehnt, der Kopf hing seitwärts runter und ein Speichelfaden hatte bereits einen riesigen nassen Fleck auf der Jeans gebildet. In einer Hand hielt er mit entschlossenem Griff noch eine Flasche Bier.
Niko öffnete die Tür zum Balkon und trat hinaus, um frische Luft einzuatmen. Eine Marotte des Alters – dieser Frischluftwahn. Damals hatte ihn der Gestank und das Chaos nicht gestört, hatte er sich erst drei Tage später zum Aufräumen und Lüften hinreißen lassen können. Das war heute anders. Wo war eigentlich Ben? Auf der Suche nach seinem Bruder stieß Niko mit dem Fuß gegen eine leere Bierflasche auf dem Boden, wodurch diese mit Schwung über den Boden schlitterte, direkt zu auf eine Formation weiterer leerer Flaschen zu.
'Klirr'
kippten sie um. Alle Zehn.
„Strike!“, grunzte Fredi, der davon kurz erwachte und schielend blinzelte. Er holte tief Luft, warf den Kopf auf die andere Seite und schnarchte gleich wieder weiter.
Niko fand seinen Bruder in der Küche. Der jugendliche, splitterfasernackte Körper war um die ebenso splitterfasernackte Karin geschlungen. Na, sieh mal einer an! Niko suchte in seinem Herzen nach Spuren von Eifersucht – aber da war nichts dergleichen. Okay, Karin sah scharf aus und vor Nikos Auge lief ein Dreißigsekundenporno mit Schnipsel verschiedener Kopulationsereignisse ihrer gemeinsamen Zeit, was sein Schwanz durchaus anregend fand, aber Eifersucht war da keine. Niko war froh, sie hinter sich zu haben, Karin los zu sein. In diesem Moment fiel ihm wieder Raffael Hagen ein. Er hatte ihn nicht gefunden. Was – wenn Niko diese Mission verpatzte? Wurde er dann sofort wieder auf
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