Die Wiege des Bösen
Stein, und kroch mit Furcht und Wahnsinn in die Herzen der Menschen, die zitternd in ihren Häusern hockten.
»Sei Gast in der Magie des Mächtigen Sathacion!« rief Pirhan und nahm Calloun mit sich in seinen Tempel, während der junge Lirry mit seinen Gianten über Callouns Gefolge wachte. Er war nicht mehr ganz menschlich. Schwärze wogte in seinen Augen. Es war schrecklich anzusehen, wie dieser schwarze Nebel das Leben aus den Fugen riß, die Bande zwischen Fleisch und Seele zerriß, daß kein menschliches Gefühl mehr blieb, nur Gefallen am Grauen und Neugier an der Unnatur.
O’Braenn und seine Männer lagerten, scheinbar unbekümmert, doch mit den Klingen in der Faust. Zwei Tage vergingen, ohne daß Calloun einen Weg fand, den von seinen Kräften berauschten Priester zu töten. Er besaß nicht Macht genug, obwohl es genug Macht gab für jeden, der Wissen und Mut gehabt hätte, sich ihrer zu bedienen. Aber Pirhan war Meister über sie, seine Rituale hatten sie beschworen, seinem Geist waren sie verbunden. So wartete Calloun auf ihr Versiegen, doch Pirhan brachte neue Opfer, ließ neues Blut fließen, beschwor neue Kräfte und es sah so aus, als wollte diese Orgie des Bösen nicht enden, bevor das Leben des Laerns erloschen war.
Da erschien ein unerwarteter Helfer. Eine vage Form bildete sich über dem Altar und saugte einen guten Teil der Schwärze im Raum in sich auf. Sie nahm abstoßende, dämonische Gestalt an, und Pirhan flüsterte: »Du bist nicht mein Herr Sathacion…« Und selbst sein abgebrühter Geist erzitterte.
Calloun wich unwillkürlich zurück.
»Ist es dein Herr? Quatoruum? Ist es Quatoruum?« flüsterte Pirhan.
Die Gestalt wandelte sich, nahm deutlich menschliche Form an, von solcher Ebenmäßigkeit und Schönheit, wie nur einer zu schaffen vermag, der das Leben versteht und liebt. Da wußte Calloun, wen er vor sich hatte.
»Ja«, sagte er. »Es ist mein Herr.« Aber er nannte nicht den Namen, denn es war Dilvoog.
Dilvoog saugte immer mehr der Schwärze in sich auf, aber dabei schwand seine menschliche Form immer mehr. Calloun sah atemlos, wie sich Dilvoog verwandelte, wie die Erinnerungen an das Leben langsam schwanden und alte Erinnerungen an seine eigentliche Natur durch die Schwärze ans Licht kamen: Alte Bosheit, alter Hunger, alte Zerstörungswut. Sie rangen mit den Gefühlen und Idealen, die er durch das Leben gelernt hatte, ein Kampf, der in einem langen Heulen von Qual und Wut endete.
Dann war Stille, und das Wesen starrte hinab auf die beiden Priester, verloren, ohne Erinnerung. Die Akolythen und Unterpriester knieten zitternd in den Ecken des großen Raumes und wagten kaum die Augen zu erheben.
Calloun sah, wie die letzten unbewußten Erinnerungen an das Leben von Dilvoog abfielen. Er riß seinen Dolch aus dem Ärmel seines Priestergewandes und stieß ihn tief in Pirhans Kehle. Es war nur dies zu tun, oder alles war verloren!
Pirhan fand nicht mehr Zeit zur Gegenwehr, und die übrigen Priester waren zu gelähmt, um Einhalt zu gebieten. Calloun stolperte auf den Altar zu.
»Dilvoog!« rief Calloun beschwörend. »Ich bin dein Diener. Mein Leben ist deines! Erinnere dich! Erinnere dich! Leben…!«
Er griff nach der wogenden Schwärze, und die wogende Schwärze von vage menschlicher Form griff hungrig nach ihm, wie einst in den Tagen, da der Caer-Prinz Aesos Dilvoog beschworen hatten, eine geistlose Kreatur, die nach Leben und Verstand hungerte und Gehirne und Erinnerungen verschlang.
Solcherart leerte er Callouns Verstand, um wieder für eine Weile wie etwas Lebendiges zu denken und zu fühlen…
Die Vernunft kehrte zurück, denn viele Erinnerungen in Calloun waren seine eigenen. Er schrie auf, als er erkannte, wie sehr er dem Leben entglitten war. Er hatte Callouns Geist zerstört in seinem Hunger. Die Erinnerungen, die er verschlungen hatte, würden in wenigen Stunden erloschen sein. So war es immer, gewesen.
Erinnerungen auch an… Trygga.
Der junge Lirry hatte die Schreie gehört und kam mit zwei Gianten in den Tempel gestürmt. Er sah Pirhan in seinem Blut liegen und Calloun mit leeren Augen zum Altar starren. Und er sah die Schwärze auf sich zuwogen. Er hatte keine Furcht. Er war voller Erwartung.
Dilvoog, nun voller Erinnerungen, drang behutsam in ihn, ohne zu zerstören. Er wußte wieder, wie einfach es war, wenn ein Geist ihn willkommen hieß – obwohl er immer noch nicht verstand, wie ein menschlicher Verstand sich wünschen konnte, besessen zu sein. Das
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