Die Wiege des Bösen
du hier bist, sei auch mein Gast. Willst auch du wissen, was mit den Barbaren geschieht?«
»Ich werde an allem Anteil nehmen, wofür die Lady Interesse hat«, erwiderte Thonensen gleichmütig.
Der Priester nickte erneut.
»Gut, ihr sollt sie morgen sehen. Es mag heilsam für euch sein, zu sehen, wie die Mächtigen in Gianton mit dem Leben verfahren, und was einfache Träume mit dem erbärmlichen Geist eines Barbaren vermögen. Schon morgen wird Nottr nur noch ein Schatten von Nottr sein!«
»Ich kenne diese Träume«, sagte sie, als der Priester den Raum verlassen hatte. Sie schauderte ein wenig.
»Sie würden mich nicht als einen der Ihren akzeptieren und ich könnte es nicht ertragen, hier zu sein. Diese schrecklichen Träume drehen einem die Seele um, bis man die Finsternis ganz natürlich findet… und das Leben abstoßend.« Sie schüttelte sich, und Thonensen empfand fast Sympathie für sie. »So weit gingen sie bei mir nicht… aber ich glaube, eines Tages werden sie es tun… aber…« Sie straffte sich. »Die Macht hat ihren Preis. Und ich will die Macht. Ich bekomme fast immer, was ich will… und bezahle fast jeden Preis!« Sie lachte freudlos. »Aber habt kein Mitleid mit mir, Master Stennrwijk, und schaudert nicht. Wir leben in einer Zeit, da nichts entschieden ist und alles geschehen kann. Jeder ist selbst wie nie zuvor der Schmied seines eigenen Geschicks…!«
Wie zur Bestätigung waren plötzlich die Hämmer der Schmieden zu vernehmen, deren Schläge selbst die Felsen von Gianton erzittern ließen.
»Können wir nichts tun, bevor diese Träume über ihn kommen?« fragte Thonensen.
»Nein. Nicht, bevor Parthan uns zu ihm läßt. Wir wissen ja nicht einmal, wo die Gefangenen sich befinden. Und suchen könnten wir ein halbes Leben vergeblich…«
»Habt Ihr einen Plan, Lady?«
»Ja, ich habe einen. Aber der Nebel und die Steine sind wie Ohren. Habt Geduld. Ich will ihn so voller Leben wir Ihr!«
*
In seinem Verlies erwachte Nottr aus der Bewußtlosigkeit.
Er wollte sich aufrichten. Er spürte keinen Schmerz, auch nicht die Kälte des Steins.
Sein Kopf war voller Bilder. Erinnerungen standen so deutlich in ihm, wie seit langem nicht mehr. Vergessenes war zum Greifen nahe. Und dann entfloh ein Aufschrei seinen Lippen.
Vor ihm in dem fahl schimmernden Verlies stand von einer eigenen Helligkeit umgeben eine vertraute Gestalt wie ein rettender Gott in der Finsternis…
Mythor!
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