Die Wiege des Bösen
Geheimnis ist, daß der Priester glaubt, einen Pakt zu haben und auf irgendeine Art auch Herr über den Dämon zu sein. Er gibt etwas, und er bekommt etwas. Aber das ist ein Trugschluß. Die Finsternis gibt nichts. Und was der Priester mit den Kräften vermag, dient wiederum nur der Finsternis. Die Kräfte des Lebens werden gebrochen, aufgehoben, umgangen. Der Dämon braucht ihn nur gewähren zu lassen, und er lernt viel über das Leben dabei. Er braucht nur zuzusehen, wie es sich selbst vergiftet und zerstört. Seine Waffen führen sich selbst. Aber der Priester ist sein Sklave, nicht anders, als diese hier…« Er deutete auf die abwartenden Gianten. »Keiner von euch wird diesen Körper beherrschen. Ihr hattet nicht einmal Macht über den eigenen, oder ihr hättet ihn nicht verloren…«
»Du warst nicht in unserer Lage«, wandte Goatin ein.
»Nein. Und ich werde es nie sein. Selbst wenn ich tausend Jahre lebe, werde ich nie einer von euch sein…«
» Du könntest es«, unterbrach ihn Nottr. » Du könntest diesen Körper übernehmen!«
Dilvoog nickte langsam. »Ich könnte es«, stimmte er zu. »Aber ich werde es nicht tun.«
»Es bleibt keine andere Wahl«, stellte Nottr fest.
»Doch. Tötet ihn!«
»Er ist der Vertraute Ondhins«, sagte Barynnen. »In seiner Gestalt wären alle Türen für dich offen… und für uns alle, wenn du geschickt bist…«
»Wir könnten die Schiffe kriegen, die wir brauchen«, warf O’Braenn drängend ein.
»Wenn wir den Priester töten, werden die meisten von uns die Stadt nicht mehr lebend verlassen, oder so enden…« Barynnen deutete auf die Gianten.
»Wir brauchen deine Hilfe«, drängte Nottr.
»Ihr versteht nicht«, erwiderte Dilvoog. »Seit Duldamuur diesen Körper zu zerstören trachtete und das magische Vlies ein Teil davon wurde, seitdem fühle ich zum erstenmal, daß ich lebe… daß ich verwachsen bin mit diesem Körper. Ich habe Leben gesucht und gefunden…«
»So mußt du es jetzt verteidigen, wie wir«, Unterbrach ihn O’Braenn. »Ein Leben ist nicht viel wert in dieser Welt… und rasch verloren…«
»Ich weiß noch so wenig… Es könnte wie der Tod sein, wenn ich meinen Körper jetzt verlasse…«
»Wenn es dir selbst so wenig erscheint, was du weißt, dann wäre jetzt der rechte Augenblick, mehr herauszufinden«, meinte O’Braenn nicht ohne Sarkasmus.
»Er regt sich!« rief Barynnen. Alle starrten auf den Priester, dann auf Dilvoog.
Der Priester stöhnte und versuchte sich aufzurichten.
Nottr hob Seelenwind für den tödlichen Streich.
Dilvoog fluchte zum erstenmal. Er sah sich hilfesuchend um. Trygga kam an seine Seite.
»Die Finsternis über euch alle!« rief Dilvoog wütend. »Der Verstand sagt mir, daß ich allein mein Leben mehr genießen könnte als in eurer Gesellschaft, in der nicht viel Zeit zum Nachdenken bleibt. Aber dag Leben besteht offensichtlich nicht nur aus Verstand…« Er warf einen gefühlvollen Blick auf Trygga.
»Da hast du verdammt recht«, rief Urgat. »Und grübeln kannst du, wenn du nicht mehr kämpfen und kriechen kannst. Mit uns lernst du mehr über das Leben…«
»Und über das Sterben?« unterbrach ihn Dilvoog sarkastisch. Er ließ Urgat keine Zeit für eine Antwort. Es blieb auch keine Zeit mehr, denn Calloun, der Priester, kam vollends zur Besinnung. An seiner Miene war abzulesen, daß er sich der Lage voll bewußt war, und daß sein Verstand heftig arbeitete. Allein Nottrs Schwert an seiner Kehle hielt ihn davon ab, seine Gianten zu rufen. Aber wie sehr fürchtete ein Dämonenpriester den Tod? War nicht Unsterblichkeit eine der Verlockungen der Finsternis?
»Ich hasse es, diesen Körper zu verlassen, der mir so gut gedient hat«, sagte Dilvoog.
Trygga ergriff ihn am Arm. »Ich werde ihn für dich hegen und bewahren, mein Gefährte.«
Er zögerte. Er hätte es gern überdacht. Der Gedanke gefiel ihm und gefiel ihm nicht, und er hätte gern gewußt, weshalb. Aber wie so oft in dem verdammten Leben, wenn es notwendig war, war keine Zeit zum Grübeln.
Er nickte und zog sie sanft in seine Arme und hielt sie fest wie etwas sehr Kostbares, denn in diesen zwei Tagen hatte sie ihm bewußt gemacht, daß das Leben Schätze barg, wie die Finsternis sie nicht kannte.
»Halt dich fest, Trygga«, sagte er leise. »Nicht mit den Händen… mit den Gedanken…«
»Mit dem Herzen«, flüsterte sie lächelnd.
Und vor aller Augen begann sich ihr Körper aufzulösen und war verschwunden.
Während es die meisten der
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