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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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sich Dietmar ein.
    »Weil er alleine ist und ein unstetes Leben führt!«
    »Wenn jemand mit einem Messer traktiert wird, geht das kaum leise zu«, gab Johannes Hagemann zu bedenken. »In einer Wohnung mit Nachbarn ist das wohl kaum möglich, oder?«
    Trevisan ging an die Tafel mit dem Stadtplan von Wilhelmshaven. Er zeigte mit dem Finger auf den Südwestkai. »Hier gibt es leere Lagerhallen, die weit genug von den Wohngebieten entfernt wären.«
    »Und was ist, wenn sie ihn mit einem Wagen an die Brücke gefahren haben und ihn dann ins Wasser warfen?«, gab Dietmar zu bedenken.
    »Ich glaube nicht, dass er ertränkt wurde«, erwiderte Trevisan. »Warum wird ein Mensch gefoltert? Weil man ihn gefügig machen oder weil man etwas von ihm erfahren will. Wenn jemand so weit geht und seinem Opfer bei lebendigem Leib tiefe Schnitte beibringt, dann schneidet er ihm die Kehle durch, wenn er erfahren hat, was er wissen will. Ins Wasser schmeißen kann er ihn hinterher immer noch, aber jedenfalls weiß er dann mit Sicherheit, dass sein Opfer tot ist. Bei unserer Leiche liegt der Fall anders. Er wurde lebendig ins Wasser geworfen oder er sprang selbst rein, um seinen Peinigern zu entkommen.«
    »Das ist jetzt aber eine ganz schön abstruse Theorie«, widersprach Dietmar Petermann. »Wer geht bei Minusgraden schon freiwillig in eiskaltes Wasser?«
    »Jemand, der dem Schmerz entkommen will.« Trevisan legte seine Handfläche auf den unteren Teil des Stadtplans. »Das ganze Gebiet am Südwestkai könnte Tatort sein. Wir sollten dort nachsehen.«
    Bevor Johannes Hagemann antworten konnte, betrat Kriminalrat Beck den Konferenzraum. »Ah, meine Herren, wie ich sehe, sind Sie alle bei der Arbeit. Gibt es schon Ergebnisse im Fall der Wasserleiche?«
    »Wir wissen noch nicht, wer der Tote ist«, berichtete Hagemann.
    »Hoffentlich helfen uns die Laborergebnisse weiter«, antwortete Beck. »Ähm, Herr Trevisan, ich hätte Sie gerne mal unter vier Augen gesprochen. Vielleicht gehen wir kurz in mein Büro.«
    Schweigend folgte Trevisan dem Kriminalrat in den vierten Stock. Beck schloss sein Büro auf und bot Trevisan den Stuhl vor dem Schreibtisch an.
    »Trevisan, wie Sie wissen, ist derzeit von außerhalb kein neuer Leiter des Kommissariats in Sicht. Wir wissen, wie es um Herrn Hagemanns Gesundheit steht, und Herr Sauter wird uns in der nächsten Woche verlassen. Bleiben nur noch Sie und Petermann. Ich habe mich mit Direktor Tahnert besprochen und wir kamen übereinstimmend zu dem Schluss, dass wir Sie als Nachfolger von Herrn Bornemann vorschlagen werden.«
    Martin Trevisan wusste nicht, was er sagen sollte.
    »Wir werden in nächster Zeit Verstärkung für Ihr Team erhalten«, fuhr Beck fort. »Ein junger Kollege stößt vom LKA zu uns und auch die zweite Stelle wird durch eine Kollegin des Landeskriminalamtes besetzt.«
    »Ich dachte, die Stelle wird ausgeschrieben?«, wandte Trevisan ein.
    Beck lächelte. »Wir sind Beamte, jede Stelle wird offiziell ausgeschrieben. Aber wer zum Zuge kommt, das bestimmt die Dienststelle. Legen Sie mir morgen bitte Ihre Bewerbung vor.«
    *
    Rike hatte die ganze Zeit wie auf heißen Kohlen gesessen. Auf dem engen Fährschiff gab es kein Versteck. Also blieb sie auf ihrer Holzbank und warf dem fremden Mann mit der Brille hin und wieder einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Auf Langeoog musste sie versuchen, ihm zu entkommen. Sie schätzte ihre Chancen ab. Seine ledernen Halbschuhe waren ein Schwachpunkt, diese leichten Treter waren für schweres Gelände nicht geeignet. Rike betrachtete ihre warmen Goretex-Stiefel, die ihr auf der Arctic Sunrise hervorragende Dienste geleistet hatten. Fraglich blieb jedoch, ob der Kerl über Töngen Bescheid wusste oder ihr einfach nur folgte, weil er hoffte, sie würde ihn zu Larsen führen.
    Der Fußweg zu Töngens Gehöft begann nah am Hafen, doch hier war das Gelände selbst mit Halbschuhen zu bewältigen. Also stieg sie, als die Fähre angelegt hatte, in den kleinen roten Zug, der die wenigen Fahrgäste und die angelieferten Waren in den Bahnhof des Ortes fahren sollte. Auch der Mann mit der Brille verschwand in einem Abteil. In den kleinen Waggons fanden nur wenige Menschen Platz. Bei Rike im ersten Wagen saßen lediglich das Liebespaar und der großgewachsene Mann mit Bart im langen Wintermantel, der als Letzter an Bord der Fähre gegangen war. Das war die Chance, die sie sich erhofft hatte.
    Sie wartete, bis der Zug anfuhr. Blitzschnell erhob sie sich und rannte

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