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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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änderten, nichts verhinderten, die niemandem halfen, konnte man sich und anderen ersparen. Die durfte man vielleicht denken. Vielleicht aber nur.
    »Pass auf di auf.« So etwas Blödes. Natürlich würde er auf sich aufpassen. Wie sehr man im Krieg halt auf sich aufpassen konnte. Gar nicht. Im Krieg wird auf nichts und niemanden aufgepasst. Nicht auf Menschen, noch weniger auf Soldaten. Menschen sind dazu da, abgeschossen zu werden. Das war schon immer so. Der oberösterreichische Schreihals mit dem gestutzten Oberlippenbart hielt seine Militärparaden doch nur ab, um zu sehen, wie viel Spielzeug er zum Abschießen hatte. Wie viele Menschen er ins Feuer werfen konnte. Wie viel Menschenmaterial zum Kaputtmachen da war.
    Amalia schaute Josef an. Totmachen, er wird totgemacht werden. Amalia versuchte zu lächeln. »Wird schon gut gehen. Wirst bald wieder z’rück sein«, hätte sie gerne gesagt, aber sie traute sich nicht. Josef nahm sie stattdessen in den Arm. Sie und Erna. »Sch-sch«, machte er. »Sch-sch.«
    Es klopfte an der Tür. Josef löste seinen Griff. Amalia schrie »Herein!«.
    Gerti Haberzettl, Amalias Freundin und Nachbarin, erschien im Türspalt. Hinter ihr war der Haarschopf ihres Sohnes zu sehen. »Mali, kommst mit uns zur Versammlung?«, fragte sie.
    »Sicher, Gerti, wie könnt i in an Moment wie diesen aufn oiden Gruber verzichten?« Sie drehte sich zu Josef und sagte leise: »Vor vier bin i z’rück. Wir gehen gemeinsam zum Bahnhof.« Dann schloss sich die Tür hinter ihr.
    Josef schaute sich in der Zimmer-Küche-Wohnung um. Er würde sie lange nicht mehr sehen. Der ausgetretene Holzboden war geschrubbt. Herd und Abwasch waren in tadellosem Zustand. Geschirrtücher lagen fein säuberlich Kante auf Kante in der Kredenz. Zusammen mit den anderen Textilien des Haushalts wurden sie von Amalia nach einem peniblen Wochenplan in der Waschküche am Dachboden des Mietshauses ausgekocht und über der Waschrumpel eingeseift. Armut sei noch lang kein Grund, dreckig zu sein, war Amalias Überzeugung. Ihre Ordnungsliebe war Reaktion auf ihre Kindheit. Als ältestes von zwölf Kindern war sie schon als kleines Mädchen für den Haushalt zuständig gewesen. Trotz ihres Einsatzes konnte sie nie in für sie befriedigendem Maß hinter den vierzehn Personen und täglichen nachbarschaftlichen Besuchern aufräumen. Erst in ihrer eigenen Wohnung erreichte Amalia ihren hohen Sauberkeitsstandard. Der musste sein, wenn sie schon jeden anderen Luxus entbehrte. Josefs Blick wanderte über die vertrauten Oberflächen. Kleiderkasten, Küchentisch, das Puppenhaus, das er aus Sperrholzbrettern für Erna gezimmert hatte. Diese Gegenstände waren völlig wertlos, aber die Furcht, sie womöglich das letzte Mal zu sehen, verwandelte sie für Josef zu Kostbarkeiten.
    Gertis Sohn Martin lief vor ihnen die Stiegen hinunter. Gerti und Amalia, die Erna im Arm trug, beeilten sich, ihm nachzukommen. Blockwart Gruber hatte zur Versammlung gerufen. Wie immer waren sie spät dran, obendrein hatten beide nichts für die Altkleidersammlung mit.
    »Der wird di vernadern, Gerti, wirst sehen. Der oide Gruber is doch ganz happig auf di.«
    »Der soll mi onglahnd lassen. I trog an umdrahten Mantel, für den die Schneiderin die letzten Manschetten vom Alfred kriegt hod. Seit da Hitler do is, hod er kan Bruch mehr g’mocht. Da schaut’s natürlich schlecht bei uns aus. Oba wos is mit dir? Di, ois oide Sozi, hot er sicher schon im Visier.«
    »Geh bitte, schau mi an, i hob söba nur g’flickts Zeug. Außerdem ruckt da Josef heit ei, i hob wirklich andere Sorgen ois den Gruber.«
    »I sog ja nur. Wegen earm sollen die Blumenbergs wegkommen sein.«
    »Heast, i geh eh sche brav meiner Dienstverpflichtung noch und plakatier schmierige Propagandablattln für die scheiß Nazis. Was wollen s’ no von mir?«, wurde Amalia laut.
    Gerti zog sie am Mantel und beruhigte sie wieder. »Passt scho, Mali, es reicht, kumm liaba.«
    Sie waren die Letzten, die zu Blockwart Grubers Versammlung in der Hauseinfahrt eintrafen, was dessen Aufmerksamkeit freilich nicht entging. »Na, sind wir auch schon da, meine Damen? Sehr schön«, begrüßte er sie. Gruber stand breitbeinig vor der Hausgemeinschaft. Er trug seinen grauen Arbeitsmantel mit Armschleife. Seitlich am Gürtel war eine Ledertasche befestigt, von deren Inhalt niemand Genaueres wusste, da aber alle Blockwarte der Umgebung solche Taschen trugen, mussten sie wohl zur Ausstattung gehören. Grubers grimmiges

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