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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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Gesicht verriet Wichtigkeit. Er war überzeugt von seinem Dienst an der guten Sache. »Ein Uhr hat’s geheißen, meine Damen.
Ein Uhr
. Mal schauen, ob Sie sich auch verspäten, wenn der Feind angreift. Da werden S’ wahrscheinlich die Ersten sein, die ihr Leben retten wollen. Aber wenn das Großdeutsche Vaterland Sie braucht, da verspäten wir uns. Na, sehr fein.«
    »Mein Mann muss heut an die Front«, verteidigte sich Amalia.
    Aber für Gruber war das kein Argument für Schleißigkeit. »Frau Panticek, Ihr Gatte
darf
für Führer, Volk und Vaterland in den Kampf ziehen«, berichtigte er Amalias Situation. So flammend seine Worte auch sein mochten, es gingen Gerüchte um, Gruber hätte sich mit seinem lahmen Bein nicht nur aus reiner Machtgier um den Posten des Blockwarts gerissen, sondern hauptsächlich, weil er sich dadurch vor anderen kriegswichtigen Einsätzen drücken konnte. Amalia machte darauf allerdings keine Anspielungen. Sie schwieg. Mehr wusste sie dem kollektiven Wahnsinn, der um sich gegriffen hatte, nicht zu entgegnen.
    Kaum setzte Gruber seine Einleitung fort, versuchte Erna sich aus den Armen ihrer Mutter zu befreien, um zu diesem komischen Mann mit der interessanten Seitentasche an seinem Gürtel zu kommen. Sie wollte unbedingt herausfinden, was sich darin befand. So dick, wie der Mann im grauen Mantel war, schätzte sie die Wahrscheinlichkeit, Süßigkeiten vorzufinden, sehr hoch ein. Außerdem hatte der Mann Ähnlichkeit mit ihrem Opa. Der war ebenfalls dick und hatte immer Zuckerl für sie. Ob er auch so schlecht hörte wie ihr Opa, würde sich ebenfalls bald herausstellen.
    Erna kannte sich mittlerweile gut mit Ohren aus. Zuerst hatte ihre Mutter ihr erklärt, sie brauche in Opas Nähe nicht zu schreien, weil er sie sowieso nicht verstehe. Opas Ohren seien, als steckte Watte darin, hatte ihre Mutter gesagt. Daraufhin wollte Erna herausfinden, was man mit Watte in den Ohren noch hörte. Sie stopfte sich einen Großteil von Amalias rationiertem Wattevorrat ganz tief in ihre Gehörgänge, was ihr keinerlei akustische Erkenntnisse, aber jede Menge Ermahnungen einbrachte. Nach dieser Niederlage wechselte sie ihre Taktik. Sie schaute sich ihren Opa genauer an, entdeckte aber nicht das kleinste weiße Fuzelchen in seinen Ohren. In keinem der beiden. Sie fand stattdessen eine weitaus stichhaltigere Begründung für seine Schwerhörigkeit. Mit Watte hatte die nichts zu tun. Viel eher mit seinen Haaren. Wem derart dicke, krause Büschel aus den Ohren wuchsen wie ihrem Opa, der musste zwangsläufig taub sein. »Uhu, Opa, hörst du mich? Soll ich dir die Haare aus den Ohren schneiden?«, rief sie in eines davon. Er lächelte und gab ihr ein Zuckerl. »Na bitte, dann dürfen die Haare auch bleiben«, dachte Erna. Ob der komische dicke Mann im grauen Arbeitsmantel und der interessanten Ledertasche am Gürtel taub war oder Süßigkeiten hatte, würde sie schon noch herausfinden, nur musste ihre Mutter dazu endlich ihre Hand loslassen. Erna zog mit aller Kraft weg von Amalia, die sie umso stärker zurückhielt. »Scht, Erna gib an Frieden«, zischte sie. Auch Martin versuchte, das kleine Mädchen zu beruhigen. Er kniete sich zu ihr hin und wollte sie ablenken. Vergeblich. Letztendlich fiel Erna nichts Besseres ein, als zu heulen. Laut und mit hoher Stimme aufzuheulen.
    »Frau Panticek, bringen S’ gefälligst Ihr Kind zur Räson.« Blockwart Gruber fühlte sich gestört. Diesen Leuten fehlten eindeutig der Anstand und die nötige Ernsthaftigkeit.
    Amalia ermahnte wieder und zog Erna fester an sich heran, die zappelte mehr, stampfte auf und ließ sich auf den Boden fallen. Da sie weder das Geheimnis der Tasche noch das der Ohren lüften würde, folglich auch keine Zuckerl bekäme, kreischte sie hysterisch los.
    »Frau Panticek, nehmen S’ Ihren schreierten Gschrappen und stören S’ nicht länger die Veranstaltung. Verschwinden S’, aber schnell!!«, brüllte Blockwart Gruber. Wie sollte mit solchen Leuten Kameradschaftsgeist aufkommen, fragte er sich. Jetzt, wo an der Front wirklich jede Unterstützung gebraucht wurde, sollten doch auch diese Leute ihren Beitrag leisten. Wie ein Mann, wie
ein
Mann müsste man dem Feind gegenübertreten. Eben, wie ein
Mann
, nicht wie diese Frauen mit ihren missratenen Kindern. Die eine vor dem Krieg fleißig bei den Roten unterwegs, die andere mit einem Einbrecher zusammen. Was konnte man von solchen Leuten erwarten? Aber gut, der Führer würde mit diesen unwerten

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