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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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die Augen. Mehr als Stille machte sich im Raum breit. Einsamkeit war zu hören. Und Ernas Atemzüge. Unten vor dem Haus ging jemand in flachen Schuhen vorbei. Vom Gang drang Scheppern in die Wohnung. Das Geräusch von fließendem Wasser. Jemand füllte seinen Metallkübel an der Bassena. Dann hörte sie die Klotür, die Spülung, wieder die Tür. Gewohnte Geräusche. Nur Josef fehlte darin. Das Klimpern seines Werkzeugkastens, in dem unzählige Nägel und Schrauben rasselten. Seine unermüdliche Handarbeit. Zuletzt der Lärm, den er mit Ernas Puppenhaus verursacht hatte. Oder sein ruhigeres Häkeln. Amalia kannte keinen zweiten Mann, der mit so großer Hingabe Tischdecken und Einkaufstaschen aus Papier häkelte. Sie hatte oft über Josefs Geschäftigkeit geklagt, jetzt wäre sie ihr lieb gewesen. Sie vermisste seine Geräusche. Wären Josefs Geräusche im Zimmer, wäre auch die Stille auszuhalten gewesen. Ruhe war nur schön, wenn man sie sich selbst aussuchte. Wenn aus lauter Einsamkeit Stille über einen herfällt, dann ist sie gnadenloser als Kälte. Denn die Leute sagen, man verspürt wohlige Wärme, kurz bevor man erfriert. Lautlosigkeit hingegen kann zu ohrenbetäubendem Krach anwachsen, in dem der eigene Schrei untergeht.
    »Ich hab Hunger«, sagte Erna und krabbelte auf Amalias Schoß. Sie hing wie ein Äffchen an ihrer Mutter. Amalia küsste Ernas Scheitel.
    »Magst Grießkoch?«
    Grießkoch war Ernas Lieblingsgericht. Nicht wegen dem Brei an sich, sondern wegen der Schokolade, die ihre Mutter manchmal unter der Grießkochoberfläche versteckte. In der weichen, warmen Masse zerschmolz sie zu einem Schokoladesee. Erna stellte sich vor, ihren Löffel in den See zu tauchen und ihn leer zu essen. Sie könnte selbstverständlich die Schokolade verrühren und gleichmäßig auf den Brei verteilen. So wie ihre Mutter das tat. Das wäre vernünftig gewesen. Aber das wollte Erna nicht. Sie löffelte den See restlos aus, bis eine schokolose Grube in der Mitte ihres Grießkochtellers entstand. Das war unvernünftig, aber genauso aß Erna ihren Brei am liebsten. Was nicht ganz stimmte. Am liebsten hätte Erna einen immerwährenden Schokosee inmitten ihres Grießkochs gehabt. Wie im Schlaraffenland. Die Geschichte vom Schlaraffenland musste ihr ihre Mutter vor dem Einschlafen oft erzählen. Dort zogen Schokoladeflüsse durch Wiesen und Felder und egal, wie viel man davon aß, sie wurden niemals leer.
    »Na komm.« Amalia stemmte Erna auf ihre linke Hüfte und ging zum Herd. Sie steckte den Gasschlauch in den Hahn und drehte auf. »Wir machen uns Grießkoch. Ich hab von da letzten Ration noch ein Stückl Schoklad aufgespart. Aba nachher geht’s ab ins Bett.«
    Erna versprach alles, aber vergaß es, sobald Grießkoch und Schokolade in ihrem Magen waren. Sie wollte nicht ins Bett. »Ohne Widerrede, hat’s geheißen, Erna.« Worauf die jämmerlich zu weinen begann. »Ich will nicht allein sein!«, schluchzte sie.
    »Du bist doch net allein, Erna, i bin ja bei dir.«
    »Und der Papa?«
    Amalia nahm ihre Tochter in die Arme und drückte sie an sich. Ernas kleiner Körper schüttelte sich unter heftigen Tränen. Amalia wiegte sie wie ein Neugeborenes. Stille, jetzt sollte sie kommen. Über Erna und sie selbst. Wenn Josefs Geräusche nicht im Haus sein durften, dann sollte sich eben Stille über alles ausbreiten. Stille, Ruhe und Schlaf. So lange, bis Josef wieder Lärm machen würde und alles wieder gut wäre. In Ruhe schlafen, bis dieser vertrottelte Krieg vorbei wäre. Danach könnten alle wieder gesund und munter aufwachen, zur Schule, in die Arbeit oder einbrechen gehen. Aber vorerst sollten sie für einige Jahre durchschlafen. Wie bei Dornröschen. Wunderbar müsste das sein. Ein Frieden, wo sich Jahreszeiten abwechseln, Kletterrosen wuchern und sonst nichts passiert. Dornröschen war Amalias Lieblingsmärchen. Davon erzählte sie Erna noch öfter als vom Schlaraffenland. Einzig der selbstsüchtige Prinz war Amalia ein Gräuel. Mit seinem unheilvollen Tatendrang zerstörte er die Idylle. Ließ aus lauter Eigennutz das Chaos losbrechen. Hundert Jahre gab es keinen Streit, keine Schläge, keine Grausamkeiten. – Und dann musste ein dummer Prinz die Rosenhecke zerschneiden.

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    15.1

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