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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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Bestürzt versuchte er in ihrem Gesicht Auskunft zu finden. Doch Amalia sah nicht verletzt, sondern wütend aus.
    »Des Sterben wird ana ned leicht gmocht. Grod mir muass des passieren«, sagte sie und wischte schnell mit dem Handrücken über ihre Augen. Amalia haderte nicht mit ihrer Erkrankung. Die nahm sie, wie alles, was in ihrem Leben über sie hinweggerollt war. Amalia, die stets nach Sauberkeit, Ordnung und Reinlichkeit gestrebt hatte, die mit einem Fleck an der Kleidung, so winzig er auch gewesen sein mochte, niemals die Wohnung verlassen hätte, die diese Wohnung fast täglich gekehrt und geschrubbt hatte, Amalia litt unendlich darunter, dass ihr unkontrolliert stinkende Exkremente aus dem Bauch sickerten. »Mir ekelt vor mir söba.« Sie hatte jahrelang Kot aus Tierdärmen gewaschen und nun schien ihr eigener Darm nicht sauber werden zu wollen. »Josef, i halt des nimmer aus, des is mir zu vü.«
    Dieser Satz traf Josef schlimmer als die Krebserkrankung seiner Frau, härter als die Bestimmtheit ihres baldigen Todes. Noch nie war Amalia irgendetwas zu viel geworden. Sie hatte noch nie aufgegeben, war unerschütterlich durch ihre Schicksalsschläge gezogen. Wie eine Dampflok, die bei Hindernissen auf der Strecke höchstens vergnügt pfeift. Dass sie jemals bremsen könnte, war für Josef unvorstellbar gewesen. Aber nun schien es, als wollte sie stehen bleiben.
    »Schau, Mali, is schon wieder sauba.« Josef befestigte den gereinigten Plastikbeutel über ihrem Darmausgang und zog Amalias Nachthemd nach unten. Er wusch seine Hände mit Kernseife und spülte den Waschlappen aus. »Den koch i späda aus«, erklärte er ihr, »kumm jetzt«, wollte er sie zu ihrem Bett führen. Doch Amalia schüttelte verzagt ihren Kopf, bewegte sich nicht vom Waschbecken fort. »Kumm, du muasst di niederlegen.« Amalia regte sich nicht. »Leg di hin, i setz mi zu dir, kumm.«
    Amalia starrte auf das Waschbecken vor ihr, als konnte sie darin ihre Zukunft lesen. »Josef«, sprach sie leise, als dürfte nicht einmal er hören, was dort geschrieben stand. »I hoid des nimmer long durch. I kann nimmer.«
    »I waß, Mali, i waß.« Er fasste ihren Kopf mit beiden Händen, berührte ihre Stirn mit seiner. »Es is gnuag. Du worst lang genug tapfer, i waß.« Er trocknete sein Gesicht nicht ab. Diese Tränen würde sie noch ertragen müssen, die mutete er ihr noch zu. Aber er lächelte auch. »Kannst di no erinnern, am Bahnhof, wie i eingruckt bin?«
    Amalia nickte. »Natürlich, wie kennt i des vergessen?« Ihr war, als habe sie keinen Moment mit Josef vergessen. Sie streichelte ihm über die Wange. Die beiden standen beieinander wie zwei Verliebte, die sich vor einem Sturm zu schützen suchten, doch egal, wo sie sich unterstellten, es erwischte sie immer kalt von vorn. »Du woitast mi ned gehen lossen, erinnerst di? Die Erna hod graunzt, oba du woitast mi ned gehen lossen. Mir wor des unheimlich. I hob Angst ghobt, dass d’ an Anfoi kriagst, obwohl i am liabsten söba davogrennt wa und mi irgendwo in an Erdloch verkrochen hätt. Wann i mi jetzt ned losreiß, losst s’ mi nie gehen, hob i ma gedocht. Mali, i kann no immer dein festen Griff an meiner Uniformjacken gspirn, wirst mi domois ghoiden host.« Amalia nickte wieder. Ja, sie konnte sich erinnern. Auch daran, dass er gegangen war. »Den Griff, Mali, den hob i nie vergessen. Den Griff am Orm hob i immer gspirt. Wann i wie a Idiot durchn Schlamm marschiert bin. Wie i im Dreck glegen bin mitn Gewehrkoibn an da Schuita. Wie i vor lauter Panik wie deppat um mi gschossen hob. Wie i meine dafruranen Kamerodn im Schützengroben gfunden hob, oda wie s’ ma ohne Betäubung den Haxen obgschnitten hom. Imma hob i dein Hoit gspirt, Mali. I hob gwusst, du losst mi ned los.«
    »Sei still, Josef, bitte.« Amalia legte ihren Finger auf seine Lippen.
    »Wegen dir hob i’s überstanden. Dei Griff hod mi zruckghoid.«
    »Hea auf, Josef.« Amalia fühlte sich schwach. Sie wollte sich hinlegen. Sie fühlte sich wie Schneewittchen, dem ein vergifteter Apfel im Magen lag. Amalia wäre gerne in Tiefschlaf gefallen. Das müsste schön sein. Im Schlaf würde sie den vergifteten Bissen in ihrem Leib nicht spüren. Auf einen gläsernen Sarg könnte sie verzichten. Auch auf den Prinzen. Diese Märchenprinzen mussten ständig Frauen aus den schönsten Daseinszuständen reißen. Märchenprinzen waren küssende Unruhestifter, nichts weiter. »Bring mi ins Bett, bitte.«
    Er nahm seine Krücken und konnte nicht

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