Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
Vom Netzwerk:
»Kannst du doch«, sagte Robert bei jedem neuen Stück, das sie anschleppte und zur Präsentation und Bewunderung vor ihn hinstellte. Er schien davon wenig überrascht zu sein. Hilde allerdings hatte ihrer Hand schon beim Verspachteln und Ausmalen ihres Zimmers ungläubig zugeschaut. »Ich hab bis jetzt noch nie etwas selbst gemacht. Weißt du, ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffe. Aber eigentlich war’s gar nicht so schwer«, erklärte sie. Obwohl es zu Hildes Markenzeichen gehörte, dass ihre Erzeugnisse nicht immer lotrecht waren. Die beiden hatten oft Küchendienst miteinander. Robert schnitt fünf Kilo Zwiebeln für ein Erdäpfelgulasch. Hilde hackte mit dem Wiegemesser einen riesigen Haufen Bärlauch für die Cremesuppe. Robert redete wenig, aber manchmal, wenn ihm eine Frage des Längeren im Kreisrund seines Kopfes herumgegangen war, ließ er einige Sätze von sich. »Warum traut ihr Frauen euch eigentlich so wenig zu? In Ludwigshof schupft ihr doch alles. Warum seht ihr das nicht? Wer hat euch eingeredet, dass ihr nichts könnt?«, sagte er, und die Schärfe des Zwiebels trieb ihm Tränenflüssigkeit in die Augen. Hilde hörte auf, das Wiegemesser über den Bärlauch zu schaukeln. »Unsere Väter?«, wollte sie antworten, unterließ es aber, weil von Vätern und deren Missetaten in der Kommune schon viel zu viel geredet wurde. »Nimm Gertrud. Ich hab schon den zehnten Keramikkurs bei ihr gemacht und noch immer springen meine Glasuren. Oder Agnes! Selbst wenn ich täglich bis ans Ende meines Lebens stricken würde, meine Pullover würden nie so perfekt wie ihre.« Hilde betrachtete Robert von der Seite. Ihr wurde zum ersten Mal bewusst, dass er absolut kein Problem hatte, Lob zu verteilen. »Oder nimm Annes Garten. Sie besucht uns höchstens einmal pro Woche, aber auf ihren Beeten wächst und gedeiht es. Ihr Gemüse schmeckt köstlich, es hat keine Schädlinge, keine Fäulnisflecken. Hermann schafft nicht mal, dass sein Blumenkisterl am Fensterbrett überlebt.« Am liebsten hätte Hilde ihn hochgehoben und in den 2. Stock in ihr Bett getragen. Oder besser in den Schatten unter den Apfelbaum im Vorhof gelegt. Sie küsste ihn auf die Wange. »Ich möchte sofort mit dir schlafen, jetzt, bitte.« Eigentlich hätte sie ihm auch hier in der Küche die Latzhose aufmachen, ihn auf den Esstisch drücken und sich auf ihn setzen können. »Du, ich will noch fertig kochen«, sagte Robert und zerkleinerte die Zwiebeln zu feinen Würfeln.
    »Schau mal, Helena, was da alles blüht!« Hilde legte ihre Tochter im Schatten der Plattenbauten ins Gras. Helena strampelte mit Armen und Beinen, quietschte vor Vergnügen, überzeugt davon, es gäbe nichts Großartigeres als Grashalmspitzen vor blauem Hintergrund. Zweidimensionales Sehen hatte für sie einen Unterhaltungswert, der nur noch vom Gesicht ihrer Mutter, deren Busen und Schlafen überboten wurde. Hilde setzte sich neben ihre Tochter.
    Wachgeküsst worden war Hilde erst von den Büchern, die in Ludwigshof herumlagen. Noch Wochen nach ihrem Schulabschluss wollte sie nie wieder eines auch nur berühren. Mit Aufsätzen, Analysen und Inhaltsangaben hatte man ihr die Freude an Lektüre vertrieben. Erst als der Winter um den Ludwigshof tobte, hob sie eines der zahlreichen gelben Heftchen vom Boden auf. Ein Klassiker, den sie sicher in der Schule hätte lesen sollen. Sie nahm das Heftchen in ihr Zimmer und verbrachte den Nachmittag damit. Sie lag im Bett, eingepackt in eine warme Decke, mehrere Pölster im Rücken, Leselampe direkt auf die Buchseiten gerichtet. Sie las stundenlang, las das Buch aus, sank tiefer in ihre Pölster, schlummerte ein. Sie erwachte, streckte sich, ging hinunter zum Abendessen. Danach wieder hoch in ihr Zimmer, nicht ohne das nächste Buch von irgendeinem Stapel zu schnappen. Den Winter über wälzte sie sich durch den Büchervorrat der Kommune. Adorno, Lacan, Reich, Foucault. Und dann begannen die Probleme. Sie beteiligte sich an Diskussionen, noch schlimmer: Sie widersprach Hans. Kommunenältester und -mitbegründer Hans, der sich selbst gerne reden hörte und oft Worte wie »Kollektiv«, »Imperialismus«, »Freiheit« und »Liebe« verwendete, sah Hildes Vorliebe für fast monogamen Sex mit Robert nicht gerne. Er vermute dahinter seelische Zwänge, Konservativismus und Verlustängste. »Das sollten wir aufarbeiten«, forderte Hans. »Da brauchen wir nichts aufzuarbeiten, es ist
meine
Entscheidung, mit wem ich schlafe und mit wem nicht. Wenn

Weitere Kostenlose Bücher