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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Mutter, alle !«
    [312]  Dann
hab ich dich daran erinnert, daß es Sonntag war.
    »Dann ist Tante
Blackstone auch da«, hast du gesagt. »Tante Blackstone ist ziemlich taub.«
    Sie waren
gerade beim Mittagessen, und du hast die Hände in den Taschen gelassen, deinen
Colaflaschen-Körper um den Eßtisch herumgeschoben und gesagt: »Das ist Bogus.
Ihr wißt doch, ich hab euch von ihm erzählt. Ich hab euch von ihm geschrieben!«
Bis deine Mutter an dir hinabsah, Biggie, und deine taube Tante Blackstone zu
ihr sagte: »Hat Sue nicht wieder zugenommen?« Deine Mutter starrte wie
versteinert vor sich hin. Und du hast gesagt: »Ich bin schwanger.« Und: »Aber
macht euch keine Sorgen!«
    »Ja! Machen Sie
sich keine Sorgen!« rief ich unsinnigerweise und ließ die Gabel, die reglos vor
dem offenen Mund deines Vaters schwebte und von der Bratenstückchen und eine
Zwiebel auf den Teller herabfielen, nicht aus den Augen.
    »Macht euch
keine Sorgen«, hast du noch mal gesagt und alle angelächelt.
    »Aber
natürlich«, sagte Tante Blackstone, die das Ganze nicht richtig verstanden
hatte.
    »Ist schon in
Ordnung«, murmelte ich.
    Und deine taube
Tante Blackstone nickte mir zu und sagte: »Aber natürlich! Dieses fette deutsche
Essen, deshalb hat sie zugenommen. Außerdem ist das Kind den ganzen Sommer lang
nicht Ski gelaufen!« Sie schaute deine verdatterte Mutter an und redete mit
ihrer schrillen Stimme weiter: » Du liebe Güte, Hilda, ist das eine Art, deine Tochter zu begrüßen? Ich weiß
noch, wie du auch ständig abgenommen und wieder zugenommen hast, immer wieder…«
    In der Pension ›Taschy‹ rauschten jetzt zwei Bidets
gleichzeitig, und der Gedächtnisteil von Bogus Trumpers Gehirn setzte aus. Und
vielleicht auch noch andere, diesem benachbarte Teile.

[313]  25
    Vorbereitung auf Ralph
    Im fischigen Dämmerlicht neben dem trüben Schildkrötenwasser in
Tulpens Wohnung saß Trumper vollkommen außer sich im Bett, starr und steif, als
hätte er einen Besen verschluckt. In letzter Zeit hatte er sich angewöhnt,
seiner Wut auf eine ganz besondere Weise Ausdruck zu verleihen: Er
konzentrierte sich verbissen darauf, sich keinen Millimeter zu bewegen,
dazusitzen wie eine Denkerstatue. Es war eine Art isometrische Übung, die ihn
nach einiger Zeit vollkommen erschöpfte. Er hatte wieder Schwierigkeiten mit
dem Einschlafen.
    »Nun komm
schon, Trumper«, flüsterte Tulpen. Sie berührte seinen hölzernen Schenkel.
    Trumper
konzentrierte sich auf die Fische. Es gab einen neuen, der ihm besonders
mißfiel, einen beigefarbenen, eine Art Kugelfisch, der die unfeine Angewohnheit
hatte, seine durchsichtigen Lippen an die Glaswand zu pressen und kleine Blasen
dagegen zu rülpsen. Die Blasen konnten nicht entweichen und wanderten wieder in
den Schlund des Fisches, der sich auf diese Weise aufblähte. Er wurde immer
größer, seine Augen immer kleiner, und plötzlich war der Luftdruck in ihm so
groß, daß er den Fisch vom Glasrand wegdrückte, wie einen Luftballon, den man
zuerst aufgeblasen hat und aus dem man dann die Luft entweichen läßt. Im
Rückwärtsgang sauste der Fisch durchs Aquarium wie ein frei drehender Rotor.
Die anderen Fische hatten fürchterliche Angst vor ihm. Trumper hätte ihn gerne
in dem Moment mit einer Nadel angepikst, in dem er ganz aufgebläht war. Der
Fisch schien immer auf Trumper zu starren, wenn er sich aufblähte. Das war eine
dumme Art, den Gegner zu ärgern; der Fisch hätte es wissen müssen.
    [314]  Eigentlich
konnte Trumper keinen der Fische leiden, und sein
gegenwärtiger Ärger war so groß, daß er sich sogleich vorstellte, wie er sich
ihrer entledigen konnte. Einen schrecklichen fischfressenden Fisch kaufen,
einen Allesfresser, der das Aquarium nach allem, was darin herumschwamm und -kroch,
absuchen – und dann all die Schalen, Steine, Algen, ja sogar den Luftschlauch
auffressen würde. Dann würde er sich durch die Glaswand durchfressen, das
Wasser würde heraussickern, und er würde an Sauerstoffmangel eingehen. Besser
noch: Wenn er dann auf dem trockenen Boden des Aquariums hin und her zappelte,
würde er so schlau sein und sich selbst auffressen. Welch ein bewundernswerter
Allesfresser! Sogleich wollte er einen haben.
    Wieder
klingelte das Telefon. Trumper rührte sich nicht, und die Blicke, die er ihr
aus den Augenwinkeln zuwarf, bedeuteten Tulpen, daß auch sie gut daran tat, den
Hörer nicht abzunehmen. Ein paar Minuten vorher war er ans Telefon gegangen,
und seine mörderischen

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