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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Europa, doch sie ließ es dort. Trumper mußte zugeben, daß so
ein J.U.P . etwas ganz Besonderes an sich
hatte. Man konnte es spüren, wie einen zusätzlichen Körperteil, eine Hand oder
einen Finger. Ab und zu spürte er es. Das gefiel ihm. Es bewegte sich auch. Bei
Tulpen wußte er nie, wo er nun diesen Faden, der sich wie ein Finger anfühlte,
antreffen würde. Und in dieser einen Nacht hatte er ihn überhaupt nicht
angetroffen. Das beunruhigte ihn, er erinnerte sich daran, wie Biggies Pessar
verlorengegangen war oder sich aufgelöst hatte, und er sprach Tulpen darauf an.
    »Dein Ding«,
flüsterte er.
    »Was für ein
Ding?«
    »Dein Ding mit
dem Faden.«
    »Oh, wie war
denn mein Faden heute nacht?«
    »Ich hab ihn
nicht gespürt.«
    »Gut versteckt,
was?«
    »Nein, ehrlich,
bist du sicher, daß alles okay ist?« Er machte sich oft Sorgen darüber.
    Tulpen lag eine
Zeitlang still unter ihm, dann sagte sie: »Alles in bester Ordnung, Trumper.«
    »Aber ich hab
den Faden nicht gespürt«, beharrte er. »Ich spür ihn sonst fast immer.« Was
leicht übertrieben war.
    »Alles ist in
Ordnung«, wiederholte sie und kuschelte sich an ihn.
    Er wartete, bis
sie eingeschlafen war, ehe er aufstand und sich an einer Tagebuchaufzeichnung
versuchte. Doch er wußte nicht mal [338]  das heutige Datum, war schon froh, daß er wußte, welcher Monat
gerade war. Und sein Kopf war so vollgestopft mit Dingen. Er hatte eine Million
Bilder von dem Film im Kopf, echte und eingebildete. Dann verfolgte ihn
Helmbarts seltsamer Absatz über Eddys Füße. Und er dachte an Akthelt und Gunnel ;seine Gedanken kreisten noch immer
um Sprog, der mit aufgerichteter Hoffnung durch die Burg irrte.
    Einen Satz
brachte er zustande. Es war eigentlich kein typischer Tagebuchsatz; es war ein
Anfangssatz, der in einen Superthriller gepaßt hätte. Nichtsdestoweniger
schrieb er ihn nieder.
    »Ihr Gynäkologe
hat ihn mir empfohlen.«
    Welch ein
Anfangssatz für ein Tagebuch! Ihm schoß die Frage durch den Kopf: Wie hängt
alles mit allem anderen zusammen? Doch irgendwo mußte er anfangen.
    Nehmen wir zum
Beispiel… Sprog.
    Er sah zu, wie
sich Tulpen im Bett zusammenkugelte; sie nahm sich sein Kissen, legte es sich
zwischen die Beine und schlief ruhig weiter.
    Eins nach dem anderen. Was geschah mit Sprog?

[339]  28
    Was geschah mit dem Haschisch?
    In East Gunnery, Biggie, richtete deine Mutter zwei getrennte
Zimmer für uns her, obwohl sie deshalb mit Tante Blackstone im Ehebett und dein
Vater im Wohnzimmer auf dem Sofa schlafen mußte. Und den armen Couth, der im
Auto wartete, hatten wir ganz vergessen. Er verbrachte die Nacht in seinem
zugigen Volkswagen und wachte am nächsten Morgen steif wie eine Stuhllehne auf.
    Doch nach der
öffentlichen Verkündigung war es am Essenstisch gar nicht so ungemütlich –
abgesehen davon natürlich, daß es recht schwierig war, der tauben Tante
Blackstone den Zustand zu erklären. »Schwanger«, hast du gesagt.
»Tante Blackstone, ich bin schwanger.«
    »Pranger?« sagte Tante Blackstone. »Wer steht
denn um Gottes willen am Pranger?«
    Also mußte die
peinliche Neuigkeit herausgeschrien werden, und als Tante Blackstone es endlich
kapierte, verstand sie nicht, warum soviel Aufhebens darum gemacht wurde. »Oh, schwanger «,
sagte sie. »Wie nett! Ist das nicht schön?« Sie heftete ihren Blick auf dich,
Biggie, freute sich an diesem Wunder deines Metabolismus und war glücklich, daß
die jungen Menschen noch fruchtbar sind; so gab es doch noch etwas, was die
Jungen auch nicht anders machten.
    Wir brachten
alle viel Verständnis für deine Mutter auf, ertrugen es, daß sie es als
selbstverständlich ansah, daß wir in getrennten Zimmern nächtigten; nur dein
Vater hatte den Mut, anzudeuten, daß wir beide schon mindestens einmal im
selben Bett geschlafen haben mußten, was wollte sie also noch retten? Doch [340]  er ließ das Thema fallen,
als er, wie wir alle, sah, daß deine Mutter jetzt in Förmlichkeit Halt suchen
mußte. Vielleicht dachte sie, daß es, obwohl ihre Tochter geschändet, ihr die
Kindheit entrissen worden war, nicht einzusehen war, warum nicht wenigstens das
Zimmer ihrer Tochter rein bleiben konnte. Warum sollte man den Teddybären am
Kopfende ihres Bettes oder all den kleinen Trollen auf Skiern, die sich so
unschuldig auf der Kommode tummelten, den Glanz nehmen? Etwas mußte intakt
bleiben. Wir alle haben das verstanden, Biggie.
    Und am nächsten
Morgen trafen wir uns im Bad. Ich stieß Tante

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