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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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niemand, der in seiner Nähe gesessen hatte, den Mann kannte. Der
Busfahrer schaute in der Brieftasche des Toten nach und stellte fest, daß er
aus Providence kam. Die vorherrschende Meinung lautete, das Schlimmste für ihn
sei, daß er seine Haltestelle verpaßt hatte.
    In New
Hampshire verspürte Bogus das Bedürfnis, mit jemandem Kontakt zu schließen, und
begann ein Gespräch mit einer Großmutter, die gerade von einem Besuch bei ihrer
Tochter und ihrem Schwiegersohn nach Hause zurückkehrte. »Ich glaube, ich kann
einfach nicht verstehen, wie sie leben«, sagte sie zu Bogus. Doch sie ging
nicht näher darauf ein, und er sagte ihr, sie solle sich keine Sorgen machen.
    Er zeigte ihr
den Fisch, den er Colm mitbringen wollte. Bei jedem Halt hatte er frisches
Wasser in den Glasbehälter gefüllt. Dieser Fisch würde es zumindest überstehen.
Dann schlief er ein, und der Busfahrer mußte ihn wecken.
    »Wir sind in
Bath«, sagte der Fahrer zu ihm, doch Trumper wußte, er war in der Vorhölle. Was
noch schlimmer ist, dachte er, ich war schon mal hier.
    Was dieses
Weggehen vom ersten unterschied, war nicht [412]  unbedingt ein Zeichen von guter Gesundheit. Das heißt, diesmal
war es einfacher, und dennoch wollte er eigentlich nicht gehen. Er wußte nur,
daß er noch nie etwas zu Ende gebracht hatte, und er spürte ein Verlangen, das
beinahe so grundlegend war wie der Überlebenstrieb: das Verlangen, irgend etwas
zu finden, das er auch beenden konnte.
    Was ihn an Dr.
Wolfram Holsters Brief erinnerte, den er zusammen mit seinem blutigen Urin in
die Toilette gespült hatte, und genau in diesem Augenblick beschloß er, Akthelt und Gunnel zu beenden.
    Irgendwie gab
ihm diese Entscheidung Auftrieb, doch er war sich im klaren darüber, daß es
schon seltsam war, sich darüber zu freuen. Es war, als habe ein Mann, nachdem
er jahrelang von seiner Familie Vorwürfe zu hören bekommen hatte, er solle
endlich etwas tun, sich eines Nachts hingesetzt und ein Buch gelesen und sei
dabei von Geräuschen aus der Küche aufgeschreckt worden. Es war nur seine
Familie, die über irgend etwas lachte, doch der Mann stürzte sich auf sie,
schlug um sich, beschimpfte sie wüst, warf mit Stühlen um sich, bis sich alle
übel zugerichtet am Boden krümmten. Dann drehte sich der Mann zu seiner
verschreckten Frau um und sagte aufmunternd zu ihr: »Ich werde jetzt mein Buch
zu Ende lesen.«
    Ein verletztes
Mitglied der Familie mochte es gewagt haben, zu flüstern: »Findet sich wohl
toll, der Alte!«
    Dennoch machte
der Entschluß Trumper ein klein wenig Mut. Er wagte es, Couth und Biggie
anzurufen und sie zu fragen, ob einer von ihnen ihn an der Bushaltestelle
abholen könnte.
    Colm war am
Telefon, und der Schmerz, den Trumper empfand, als er seine Stimme hörte, war
größer, als wenn er versucht hätte, einen Pfirsichkern durch seinen zugenähten
Schwanz herauszupinkeln. »Ich hab dir was mitgebracht, Colm.«
    »Noch einen
Fisch?« fragte Colm.
    »Einen
lebendigen«, antwortete Trumper, und er schaute zur [413]  Sicherheit noch mal ins Glas. Der Fisch war
wohlauf, vielleicht ein bißchen seekrank, weil er dauernd hin und her
geschüttelt worden war, und er sah auch sehr klein und zerbrechlich aus, aber,
kaum zu glauben, er schwamm noch immer umher.
    »Colm?« meinte
Trumper. »Gib mir mal Couth oder Mami. Irgend jemand muß mich von der
Bushaltestelle abholen.«
    »Ist die Frau
auch dabei?« wollte Colm wissen. »Wie heißt sie noch mal?«
    »Tulpen«, sagte
Trumper und pinkelte noch einen Pfirsichkern.
    »Ja, genau, Tulpen !«brüllte
Colm. Offensichtlich mochte er sie sehr gern.
    »Nein, sie ist
nicht mitgekommen«, sagte Trumper. »Diesmal nicht.«

[414]  34
    Auf in ein Leben für die Kunst:
Präludium zu einem Panzer auf dem
Grunde der Donau
    Du Arschloch, Merrill! Hast immer vor der American
Express rumgehangen und auf verlorengegangene kleine Mädchen gewartet.
Ich glaube, du hast eine gefunden, aber sie hat dich verloren, Merrill.
    Arnold Mulcahy
hat mir erzählt, es sei im Herbst passiert. Eine rastlose Zeit, nicht wahr,
Merrill? Das altbekannte Gefühl, jetzt dringend jemanden zu brauchen, mit dem
man den Winter verbringen kann.
    Ich weiß, wie
es gelaufen sein muß; schließlich kenne ich deine American-Express -Anmache. Das muß man dir lassen, Merrill; dein Auftreten hatte
es in sich. Du hast gewirkt wie ein ehemaliger Bomberpilot, ein Ex-Grand-Prix-Rennfahrer,
dem der Mut abhanden gekommen ist und vielleicht auch noch die Frau,

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