Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
erklärte Vigneron. »Sie werden sich in den nächsten Tagen am
wohlsten fühlen, wenn Sie zu Hause bleiben und überhaupt keine Kleider tragen.«
    »Das hab ich
mir gedacht«, antwortete Trumper.
    »Die Fäden
werden von selbst herausfallen, aber ich möchte Sie in einer Woche noch mal
anschauen, um sicherzugehen, daß wirklich alles in Ordnung ist.«
    »Gibt es
irgendwelche Gründe, warum nicht alles in Ordnung sein sollte?«
    »Natürlich
nicht«, entgegnete Vigneron. »Aber es ist nach einem chirurgischen Eingriff
üblich, daß man zur Kontrolle noch einmal vorbeikommt.«
    »Vielleicht bin
ich dann gar nicht mehr hier«, wendete Trumper ein.
    Vigneron schien
diese Uneinsichtigkeit Sorgen zu bereiten. »Ist wirklich alles in Ordnung?«
fragte er. »Ich meine, fühlen Sie sich gut?«
    [407]  »Ausgezeichnet«,
sagte Trumper. Ihm war klar, daß er Vigneron beunruhigte, und er versuchte, es
wieder hinzubiegen. »Ich hab mich noch nie besser gefühlt«, log er. »Neuer
Schwanz, neuer Mann.«
    »Na ja«, sagte
Vigneron, »dafür kann ich nicht bürgen.«
    Natürlich hatte
Vigneron recht; Vigneron hatte immer recht. Es war höchst unangenehm,
irgendwelche Kleidung zu tragen.
    Trumper
schlüpfte vorsichtig in seine Unterhose; eine große mit Salbe beschmierte
Mullkompresse zierte das Ende seines Penis. Das verhinderte, daß sich die Fäden
im Gewebe seiner Unterhose verfingen; statt dessen verfingen sie sich in der
Kompresse. Laufen war eine prekäre Angelegenheit. Er hielt den Schritt seiner
Hose möglichst weit vom Körper weg und wankte O-beinig, wie jemand, der heiße
Kohlen in seinem Suspensorium mit sich herumträgt. Alle starrten ihn an.
    Die Post und
das seltsame Geschenk von Ralph nahm er mit. In der U-Bahn starrte er ein
strenges, förmliches Paar an, die aussahen, als hätten sie eigentlich ein Taxi
nehmen wollen. Möchten Sie meine Ehrenurkunde sehen? dachte er.
    Doch als er in
Greenwich Village ankam, nahm niemand Notiz von ihm. In dieser Gegend liefen
die Leute alle etwas seltsam herum, und gut die Hälfte von ihnen sah genauso
merkwürdig aus wie er.
    Als er auf dem
Flur vor der Wohnungstür nach dem Schlüssel suchte, hörte er Tulpen in der
Badewanne planschen. Sie redete mit jemandem, und er erstarrte.
    »Weißt du, es
ist nichts als simple Schönfärberei, wenn man versucht, tiefgründige und
komplizierte Menschen und Dinge mit einfachen Verallgemeinerungen und
Oberflächlichkeiten zu erklären. Aber ich finde es genauso simpel, anzunehmen,
jeder Mensch sei kompliziert und tiefgründig. Also ich meine, Trumper operiert
wirklich nur an der Oberfläche…Vielleicht ist er nur Oberfläche,
nichts als eine Oberfläche…« Ihre Stimme wurde [408]  leiser und langsamer, und Trumper hörte, wie
sie sich ins Wasser zurücksinken ließ und sagte: »Komm schon, mir reicht’s
jetzt.«
    Er drehte sich
von der Tür weg, humpelte den Flur entlang zum Fahrstuhl und hinaus auf die
belebte Straße. Mir reicht’s
jetzt, dachte
er.
    Wenn er
gewartet hätte, hätte er die abschließenden Regieanweisungen mitgekriegt und
gehört, wie Ralph Kent anblaffte und Tulpen die beiden aufforderte zu gehen.
    Doch ich ging direkt zum Studio in der Christopher Street und
kämpfte mit den Sicherungsvorrichtungen und Schlössern, die Ralph angebracht
hatte, bis ich schließlich drin war. Ich wußte, wonach ich suchte: Ich wollte
ihm etwas mitteilen.
    Ich fand die
Streifen, die Ralph »Fettgewebe« nannte. Das waren zu lange Stücke oder Szenen,
die er aus irgendwelchen Gründen schwach fand. Tulpen hatte sie in die
Abstellkammer neben dem Schneideraum gehängt.
    Ich wollte
nichts Wertvolles vernichten; ich wollte nur die Streifen benutzen, von denen
ich wußte, daß sie nicht perfekt waren. Ich sah eine Menge durch. Der Streifen
von Colm und Tulpen und mir in der U-Bahn war interessant. Und es gab auch eine
lange Sequenz von mir allein, wie ich aus einer Tierhandlung in Greenwich
Village herauskomme, unter jeden Arm ein Goldfischglas geklemmt – Geschenke für
Tulpen an einem Tag, an dem ich gut gelaunt war. Der Besitzer des Ladens, der
aus der Tür kommt und mir nachwinkt, sieht aus wie ein Schäferhund in einem
Hawaiisporthemd. Er winkt mir noch nach, als ich schon lange aus dem Bild
verschwunden bin.
    Ich schnitt ein
paar Sachen zurecht; ich wußte, viel Zeit hatte ich nicht, und ich wollte
saubere Arbeit leisten, wenn ich den Ton unterlegte.
    Mein Pimmel tat
mir so weh, daß ich Hose und Unterhose auszog und mit nacktem Arsch

Weitere Kostenlose Bücher