Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
hineingedrückt habe und Biggie zu mir hinuntergerufen hat, daß
es geklappt hat und das Licht wieder an ist. Ich kann den Stromzähler durch die
Wand ticken hören. Ich glaube, die Maus zu hören, ihren kleinen, schnellen
Herzschlag. Sie denkt, meine Güte, was haben die großen, schrecklichen
Fallensteller jetzt wohl vor? Also flüstere ich in die Dunkelheit: »Hab keine
Angst. Ich steh auf deiner Seite.« Woraufhin der Maus das
Herz stehenzubleiben scheint. Ich stehe kurz davor, loszuheulen, habe fast
genausoviel Angst wie in den Momenten, wo ich glaube, Colm habe im Schlaf mit
dem Atmen aufgehört.
Biggie ruft:
»Was machst du denn da unten, Bogus?«
»Ach, nichts,
Big.«
»Du machst aber
schon eine ganze Weile nichts«, erwidert Biggie.
Und ich ertappe
mich dabei, wie ich darüber nachdenke. In der Tat, schon eine ganze Weile! Ohne
irgend etwas, was man als problematisch oder leidvoll bezeichnen könnte. Es war
nur ein ganz kleiner Schmerz, und manchmal hat es sogar Freude gemacht. Es sind
diese nächtlichen Dinge– alles nur Kleinigkeiten – die sich nicht zu etwas
Großem oder Ernstem addieren, sondern einfach nur mein Leben so verändert
haben, daß ich meine [82] Aufmerksamkeit
ausschließlich auf sie richte. Ein unbedeutendes, aber permanentes Ärgernis.
»Bogus!« ruft
Biggie. »Was machst du da unten?«
»Nichts, Big!«
rufe ich zurück und meine es diesmal ernst, ich erkenne ein wenig deutlicher,
wie es ist, wenn man nichts tut.
»Aber irgendwas mußt
du doch tun!« poltert Biggie.
»Nein, Big«,
rufe ich zurück. »Ich mache wirklich überhaupt nichts. Ehrlich!« Im Moment sagt
Bogus Trumper die Wahrheit.
»Lügner!«
schreit Biggie. »Du spielst mit der verdammten Maus rum!«
Maus? denke
ich. Bist du noch da? Hoffentlich bist du nicht nach oben gegangen und hast
gedacht, das sei deine große Chance. Du tust besser daran, wenn du hier im
Keller bleibst, Risky Mouse. Hier unten ist keineswegs alles unbedeutend.
Da hab ich’s!
Was mich stört, ist, daß mein Leben da oben nur aus Trivialitäten besteht –
kleine Fehleinschätzungen enthält, aber nie wirkliche Vergehen. Mir steht
nichts wirklich Ernstes bevor; es gibt nichts in meinem Leben, was ich so
gründlich meiden müßte oder was so endgültig wäre wie diese Mausefalle.
»Bogus!« Biggie
schreit aus voller Kehle; ich höre, wie sie sich im Bett herumwälzt.
»Ich hab’s!«
rufe ich hoch. »Ich bin schon auf dem Weg!«
»Die Maus?«
fragt Biggie.
»Die Maus?«
»Ob du die Maus
hast!«
»Mein Gott,
nein, die hab ich nicht«, antworte ich.
»Ja, mein Gott,
was denn?« will Biggie wissen. »Was hast du denn, daß es so lange dauert?«
»Nichts, Big«,
sage ich. »Ich hab gar nichts, wirklich…«
Und so verstreicht wieder eine Nacht, in der Trumper an seinem
Fenster auf die Geisterstunde wartet, die den alten Fitch, den Rasenbeobachter,
aus dem Bett treibt, zu seinem allnächtlichen [83] Kontrollgang auf der Veranda. Vielleicht stört
ihn der vor der Tür stehende Herbst mit all seinem bedrohlichen Sterben.
Doch in dieser
Nacht steht Mr. Fitch nicht auf. Bogus drückt sein Ohr vorsichtig an das
Fliegengitter aus dem Krieg, hört ein kurzes Rascheln trockenen Laubes und
sieht im gelblichen Licht der Straßenlaterne eine Handvoll toter, abgefallener
herbstlicher Blätter, die vom Wind hochgehoben werden in die Lüfte um Fitchs
Haus. Mr. Fitch ist im Schlaf gestorben! Seine Seele lehnt sich noch ein
letztes Mal auf, will noch ein letztes Mal den Rasen sauberrechen.
Bogus überlegt,
ob er nicht bei Fitch anrufen soll, nur um zu sehen, wer ans Telefon geht.
»Mr. Fitch ist
eben gestorben«, sagt Trumper laut. Aber Biggie hat es gelernt, zu schlafen,
auch wenn er nachts redet. Der arme Fitch, denkt Bogus, ehrlich betrübt. Wenn
man ihn fragte, hatte er immer erzählt, er habe früher beim Amt für Statistik
gearbeitet. Und jetzt
sind Sie selbst in die Statistik eingegangen, Mr. Fitch, nicht wahr?
Trumper
versucht, sich vorzustellen, welche aufregenden Momente es in Fitchs langer
Karriere beim Amt für Statistik gegeben haben könnte. Er beugt sich übers
Mikrophon und stellt sich vor, daß das Amt für Statistik kurze und objektive
Angaben benötigt. Er nimmt sich vor, sich nur auf die allerwichtigsten
statistischen Daten zu beschränken, drückt die Aufnahmetaste und fängt an:
»Fred ›Bogus‹
Trumper, geboren am 2. März 1942 im Rockingham-by-the-Sea-Krankenhaus in
Portsmouth, New Hampshire. Zur Welt gebracht von
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