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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ausgesprochenen Glork von Freund. Ich
könnte schwören, daß der Wind sekundenlang erstarb, erfüllt von dem Duft ihres
Haares! Und ich höre auf, wie verrückt mit einer Kuhglocke zu bimmeln; ich
schreie nicht mehr: »Wimpel! Buttons! Kuhglocken! Bequeme Kissen! Regenmützen!
Hängt euch rein für Iowa oder Notre Dame!«
    Ich sehe Lydia
an mir vorbeitänzeln; ihr Freund schlurft neben ihr her; der Wind drückt sie an
ihn, und beide lachen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie mich jetzt sähe,
wie ich, blau vor Kälte, neben meinem kunterbunten Brett kauere und in
rüpelhaftem Englisch diesen Schrott anpreise, ohne die geringste Spur von
Altniedernordisch beizumischen.
    Ich mache einen
Satz hinter das Brett und drücke mich mit dem Rücken dagegen. Der Wind
vollführt beunruhigende Kunststücke mit dem Brett, die dessen Balance erheblich
gefährden. In weiser Voraussicht mache ich den häßlichen Button mit der Nr. 501
von meinem Parka ab und stopfe ihn zusammen mit der gelben Schürze für das
Wechselgeld in die Jackentasche. Dann lauere ich stumm weiter hinter dem Brett.
Ihr Glork dröhnt: »Hey, guck mal, Lid!
Keiner da, der auf die komische Tafel aufpaßt! Nimm dir doch einen Button.« Und
ich höre sie kichern.
    Aber Glork ist
nicht eben der Geschickteste beim Abnehmen der Anstecknadeln von den
Stoffstreifen, die über das Brett gespannt sind, und er will das Ganze
offensichtlich schnell hinter sich bringen und verschwinden, denn er rupft und
zerrt so fest, daß ich das Gestell fest umklammern muß, damit mir nicht der
ganze Apparat umfällt. Dann höre ich, wie einer der Stoffstreifen reißt, und
aus den Augenwinkeln kann ich sehen, wie ein Streifen mit Iowa-Buttons im Wind
hin und her flattert. Ja, der Wind, oder die Kombination von Wind und dem
letzten, festen Rupfen des Glork – jedenfalls spüre ich, wie ich das
Gleichgewicht verliere, wie meine Würde ins Wanken gerät. Das Brett fällt um.
    [90]  »Achtung!«
schreit meine Lydia mit heller Stimme. »Das Ding fällt auf dich drauf!« Aber
der Glork tritt nicht rechtzeitig zurück,
und das zwei Meter lange Rechteck, wie er meint nur dünnes Sperrholz, neigt
sich ihm entgegen. Er streckt lässig eine Hand aus, um sich abzuschirmen. Aber
er weiß nicht, daß ich von hinten mit meinem ganzen Gewicht dagegen drücke, daß
ich mit meinen siebzig Kilo zusammen mit dem Ding auf ihn fallen werde. Und als
er auf dem Zement liegt, gibt er einen furchtbaren Schrei von sich; ich spüre
an meinem Rücken, wie das Brett in zwei Teile zerbricht; ich merke durch das
Holz, wie er sich schwach unter mir windet. Aber ich verschwende keinen
Gedanken an ihn, schaue nur hoch zu Lydia.
    »Klegwoerum«, sage ich zu ihr, »V roognaven
okthelm abthur, awf?«
    Sie starrt mich
nur an, während das Brett unter mir sich immer noch windet. Ich wechsle die
Sprache und nuschle auf deutsch zu ihr hoch: »Wie geht’s dir heute ? Hoffentlich
gut.«
    Unter dem Brett
ertönt ein ersticktes Grunzen. Ich setze mich mit einer wichtigtuerischen
Gebärde langsam auf und sage, ein bißchen zu ernst, als hätte man mich gerade
geweckt: »Lydia, was geht hier vor?«
    Sie geht
sogleich in die Defensive und antwortet: »Das Brett ist umgefallen.« Als ob ich
das nicht wüßte. Ich erhebe mich, und der Glork krabbelt unter
meinem heruntergefallenen Zeugs hervor, sieht aus wie ein kleiner,
zerquetschter Krebs.
    »Was zum Teufel
machst du da?« herrsche ich ihn an, nur, um ihn in die Defensive zu treiben.
    »Verdammte
Scheiße!« brüllt er. »Ich hab mir nur so eine Scheißanstecknadel genommen!«
    Fast väterlich
nehme ich Lydias Arm und rüge den knienden Glork: »Hüte
deine Zunge, mein Junge…«
    »Was?« schreit
er. »Ist das etwa Ihr Brett?«
    »Mr. Trumper
führt die Aufsicht in unserem Sprachlabor«, [91]  erklärt Lydia ihm mit eisiger Stimme – als sei
damit jedwede Verbindung meiner Person zu diesem billigen Zeugs ausgeschlossen.
    Aber der Glork wirkt
nicht überzeugt. Er richtet sich auf, hat sichtlich Schmerzen, und fragt: »Und
was hatten Sie hinter diesem Scheißding zu suchen?«
    »Also… der
Verkäufer…«, erwidere ich, »der Verkäufer mußte eben mal kurz weg. Ich kam
gerade vorbei und habe ihm angeboten, in der Zeit darauf aufzupassen.« Und dann
versuche ich, eine tiefergehende Untersuchung abzubiegen, und mache dem Glork klar,
daß der Verkäufer über den Zustand seines Brettes sicherlich ungehalten sein
würde. Sollte er, der Glork, nicht etwas

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