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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Furcht davor, ihr weit überlegen zu sein und dann plötzlich auf
unerklärliche Weise geschultert zu werden. Und als er ihr erzählte, daß er
früher gut im Stabhochsprung gewesen war, erwiderte sie, sie habe das auch
einmal versucht. Er wagt es aus Angst vor der Vergleichsmöglichkeit nicht, nach
der von ihr übersprungenen Höhe zu fragen…«
    …und an diesem dramatischen Punkt ist das Tonband zu Ende, das
letzte Stück Band flutscht von der leeren Spule: flap, flap, flap.
    »Bogus?« ertönt
Biggies ächzende Stimme aus dem Schlafzimmer.
    »Nichts, Big.«
    Er überläßt sie
wieder dem Schlaf und spielt dann den soeben aufgenommenen statistischen
Bericht noch mal ab. Er findet, daß es ihm an Objektivität, Ehrlichkeit und
Sinn mangelt, und erkennt, daß Mr. Fitch und das Amt für Statistik sämtliche
Informationen über den betrügerischen Trumper zurückweisen und seinen Namen
nicht eintragen werden. Er schaut aus dem Fenster auf Fitchs dunkles Haus und
erinnert sich daran, daß Fitch gestorben ist. Auf merkwürdige Weise beruhigt
geht er zu Bett. Doch am nächsten Morgen, als Colm auf seinem Bauch
herumspielt, dreht er den Kopf herum und wirft noch einmal einen Blick aus dem
Schlafzimmerfenster. Er sieht die gespenstische Gestalt von Fitch, die den
Rasen bearbeitet, und läßt das Kind zu Boden plumpsen.
    »Mein Gott,
Bogus!« Biggie hebt das zeternde Kind auf.
    »Mr. Fitch ist
heute nacht gestorben«, erzählt Bogus ihr.
    [87]  Biggie
schaut nüchtern aus dem Fenster und sagt: »Na, dafür sieht er heute morgen aber
ganz gut aus.« Also ist es Morgen, stellt Trumper fest und bemüht sich, wach zu
werden; er sieht zu, wie sich Biggie mit Colm wieder ins Bett legt.
    Und wenn Biggie
nicht im Krankenhaus ist, muß es Samstag sein. Und wenn es Samstag ist, werde
ich heute wieder Wimpel, Anstecknadeln und Buttons verkaufen. Und wenn Iowa
wieder verliert, werde ich an eine Uni wechseln, die ein erfolgreicheres
Footballteam hat…
    Plötzlich
schlagen Frau und Kind im Bett neben ihm wild um sich und veranstalten einen
Aufruhr; Biggie steht wieder auf. Er dreht sich um und will sich an ihren Busen
schmiegen, ehe sie geht, erwischt aber nur ihren Ellbogen.
    Er öffnet die
Augen. Nichts ist so, wie es scheint. Wie konnte es einen Gott geben? Er
versucht, sich an das letzte Mal zu erinnern, als er glaubte, es gäbe einen.
War das in Europa? Nun, Gott kommt mit Sicherheit noch weiter herum. Nein, es
war nicht in Europa; zumindest hat es keinen Gott gegeben, als ich mit Biggie
in Europa war.
    Dann erinnert
er sich an Merrill Overturf. Das war das letzte Mal, als Gott da war, denkt er.
Und deshalb glaubt er daran, daß Gott dahin gegangen ist, wohin Merrill
gegangen ist.

[88]  11
    Notre Dame – Iowa 52:10
    Vielleicht ist
Gott wirklich tot, aber die irische Muttergottes-Elf schien einen zwölften,
allgegenwärtigen Spieler auf dem Feld zu haben, der die Dinge in ihrem Sinne
lenkte. Bereits vor dem Spiel konnte ich eine gewisse heilige Macht spüren, die
ihnen zugetan war. Ich verkaufte doppelt so viele Notre-Dame-Wimpel wie Iowa-Wimpel – ein sicheres Zeichen dafür, daß eine höhere Macht am Werk war. Oder aber
Pessimismus, eine Verteidigungshaltung der Iowa-Fans, die das Schlimmste
befürchteten und nicht dadurch noch weiter gedemütigt werden wollten, daß man
sie mit einem Iowa-Wimpel sah. Sie gingen mit leeren Händen ins Stadion, ab und
zu sah ich einen unauffälligen grünen Schlips und hier und da ein Paar grüne
Socken; wenn Iowa verlieren würde, konnten sie jederzeit behaupten, von der
grünen Insel zu sein, und kein Iowa-Button, keine Kuhglocke würde sie verraten.
    O ja, man
konnte es schon an den Verkaufszahlen sehen: Die kämpferischen Iren – das
Muttergottes-Team, der bischöfliche Schlägertrupp – hatten etwas ganz
Besonderes an sich.
    Aber ich habe
von dem Spiel nichts mitgekriegt; diese Schmach wurde mir erspart. Ich erlebte
mein eigenes Debakel.
    Ich stehe also
mit diesem unförmigen Sperrholzbrett (eine schmale Klammer hält es auf einem
staffeleiähnlichen Gestell, aber der Wind droht das ganze Ding jeden Augenblick
umzublasen) und biete meine Waren den Leuten auf den Kurvenplätzen feil. Und da
nur Studenten und die, die in letzter Minute kommen, Kurvenplätze haben, ist
das nicht der Standplatz, zu dem die Creme der Käufer von Wimpeln, Buttons und
Kuhglocken Zugang findet.
    [89]  Ich
verkaufe gerade meinen sechsten NotreDame-Wimpel, als ich die kleine Lydia
Kindle sehe, mit einem

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