Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
hingelegt
habt?«
»Ach, halt die
Klappe.« Sie drehte sich im unteren Bett herum.
»Hat er’s
wirklich versucht, Big?« wollte ich wissen.
»Hör zu«, sagte
sie kühl, »du weißt, daß nichts passiert ist. Aber du hast den Jungen in eine
unangenehme Situation gebracht.«
»Das tut mir
leid, Big. Ich wollte nur Spaß machen…«
»Und ich muß
zugeben, daß ich geschmeichelt war.« Sie machte eine lange Pause. »Ich meine,
es war schon nett«, fuhr sie dann fort. »Daß so ein junger Bursche tatsächlich
scharf auf mich war.«
»Erstaunt dich
das?«
»Dich nicht?«
fragte sie zurück. »Dich scheint das alles nicht sonderlich zu interessieren.«
»Oh, Biggie…«
»Ist doch
wahr«, entgegnete sie. »Du solltest etwas mehr darauf achten, wer sich für mich
interessiert, und es nicht auch noch mißbrauchen.«
»Biggie, es war
doch einfach nur ein stinklangweiliger Abend. Couth hat da mit dieser Nell…«
»Diese alte
Schlampe…«
»Biggie! Ein
kleines Mädchen…«
»Couth ist der
einzige von deinen Freunden, den ich mag.«
»Schön«,
erwiderte ich, »ich mag ihn auch.«
»Bogus, so
könnte ich leben. Du auch?«
[197] »So
wie Couth?«
»Ja.«
»Nein, Big.«
»Warum nicht?«
Ich dachte
darüber nach.
»Weil er nichts
besitzt?« fragte Biggie, aber das war dumm; das war mir überhaupt nicht wichtig.
»Weil er anscheinend keine anderen Menschen um sich braucht?« Sie redete um den
heißen Brei herum. »Weil er das ganze Jahr über am Meer lebt?« Das hat ja nun
wirklich überhaupt nichts mit unserem Thema zu tun, dachte ich. »Weil er einem
Foto sehr viel Inhalt geben kann und deshalb seinem Leben nicht so viel Inhalt
zu geben braucht?« Biggie ließ nie locker. Ich vergaß die Frage.
»Du könntest
also hier mit Couth leben, Big?« fragte ich sie, und sie schwieg eine ganze
Weile.
»Ich sagte, ich
könnte so leben«, meinte sie schließlich. »Nicht mit Couth. Mit dir. Aber so,
wie Couth lebt.«
»Ich hab zwei
linke Hände«, entgegnete ich. »Als Hausmeister wäre ich denkbar ungeeignet. Ich
könnte in so einem komplizierten Haus wahrscheinlich nicht mal eine Sicherung auswechseln…«
»Das meine ich
nicht«, unterbrach sie mich. »Ich meine, ich könnte so leben, wenn du so
zufrieden sein könntest wie Couth. Ich meine, irgendwie friedvoll ,
weißt du?«
Ich wußte es.
Am Morgen
beobachteten wir von Biggies Bett aus durch das Bootshaus-Bullauge Couth und
Colm. Couth nahm Colm auf eine Expedition ins Wattenmeer mit. Er hatte seinen
Fotoapparat und einen Kartoffelsack aus Leinen dabei, in den sie den
Krimskrams, der vom Meer angespült worden war, aufsammelten.
In der Eßecke
des Haupthauses servierte Biggie einem schweigenden Bobby Pillsbury, einer
nervösen Nell, Couth und einem sehr aufgeregten Colm Heidelbeerpfannkuchen. Der
Inhalt des [198] Kartoffelsackes
sollte uns alle erfreuen: eine Scheidenmuschelschale, der Schwanz eines
Rochens, das durchsichtige, papierdünne Skelett einer Groppe, eine tote Möwe,
der verletzte Kopf einer Seeschwalbe mit hellem Schnabel und der kantige
Unterkiefer von etwas, was eine Robbe, ein Schaf oder ein Mensch gewesen sein
mochte.
Nach dem
Frühstück drapierte Couth diese Überbleibsel auf unseren Tellern und
fotografierte das Ganze, das nach einer seltsamen Kannibalenmahlzeit aussah.
Nells Interesse an Couths Fotografiererei fand hier sein Ende, doch ich
beobachtete, wie Biggie Couth beim geduldigen Zurechtlegen zusah. Colm schien
Couths Arbeit als die logische Fortsetzung eines Spiels zu betrachten.
»Machst du auch
Aktfotos?« fragte Nell.
»Modelle sind
teuer«, antwortete Couth.
»Du solltest
deine Freunde fragen«, schlug Nell ihm vor und lächelte dabei.
»Biggie?«
fragte Couth, sah aber mich dabei an. Ich hielt Colm gerade im Kopfstand auf
dem Billardtisch.
»Keine Ahnung«,
erwiderte ich, »frag sie doch selbst.«
»Biggie?« rief
Couth. Sie war in der Küche mit den Pfannen zugange. Bobby Pillsbury und Nell
standen im Wohnzimmer und hantierten mit den Billardstöcken. »Willst du für
mich Modell stehen, Biggie?« Ich konnte hören, wie er ihr in der Küche diese
Frage stellte.
Bobby Pillsbury
bog seinen Billardstock wie eine Angelrute. Nell bog den ihren wie einen Bogen,
und mir wurde plötzlich klar, wie sehr die Röte dem armen, auf den Kopf
gestellten Colm ins Gesicht geschossen war. Ich drehte ihn herum, stellte ihn
auf den Billardtisch und hörte, wie Couth vorsichtig hinzufügte: »Also, ich
meine, äh, nackt…«
»Ja,
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