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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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zermatschte, mit einem Muschelstück
halbierte. Colm, wie er einen Ersatzwurm haben wollte.
    In der
Dunkelkammer wollte Colm nicht sprechen; er sah nur zu, wie sein Bild in Couths
Chemikalien Konturen annahm. Er war keineswegs erstaunt über diese
Unterwasserentwicklung; Wunder waren etwas ganz Normales für ihn; er war
vielmehr [194]  davon
beeindruckt, daß er den zerdrückten Schlammwurm noch ein zweites Mal sehen
konnte.
    Couth
entwickelte auch ein doppelt belichtetes Bild: einmal Colm auf der Mole, das
zweite Mal nur die Mole aus demselben Winkel. Das Ganze stimmte an den Rändern
nicht so recht, weil die beiden Molen nicht genau übereinanderpaßten, und Colm
schien sowohl unter der Mole als auch obendrauf zu sein; die Holzmaserung zog
sich über sein Gesicht und Hände, sein Körper war mit Planken belegt. Dennoch
saß er da (wie? einfach im Raum?). Ich war völlig perplex, als ich das Bild
sah, wenn ich auch Biggies Unbehagen bei seinem Anblick teilte, denn der von
der Holzstruktur überlagerte Junge wirkte auf seltsame Weise tot: Wir erzählten
Couth von der unglaublichen Angst, die Eltern um ihre Kinder haben. Couth
zeigte Colm das Bild, doch den interessierte es überhaupt nicht, weil der
Schlammwurm nicht deutlich zu sehen war.
    Das Mädchen, das Bobby Pillsbury übers Wochenende mit »nach
Hause« brachte, fand, es sei »fast wie ein Gemälde«.
    »Nell ist
nämlich Malerin«, erzählte uns Bobby.
    Die
siebzehnjährige Nell meinte: »Na ja, ich versuche es.«
    »Noch ein paar
Möhren, Nell?« fragte Couth.
    »Es ist ein so
einsames Foto«, gab sie ihm zur Antwort; sie starrte noch immer auf das Foto
von Colm mit dem Gesicht unter der Mole. »Dieser Ort hier – ich meine im Winter – muß ja recht gut zu dir passen.«
    Couth kaute langsam,
ihm war klar, daß das Mädchen von ihm hingerissen war. »Zu mir?« fragte er. »Na
ja«, sagte Nell. »Also, du weißt schon, was ich meine. Irgendwie zu der Art,
wie du die Welt siehst, weißt du.«
    »Ich bin nicht
einsam«, entgegnete Couth.
    »Bist du wohl,
Couth!« meinte Biggie. Colm – der echte Colm, der kein Holzreliefgesicht hatte – verschüttete seine Milch. Biggie [195]  nahm ihn auf den Schoß und ließ ihn ihre Brust anfassen. Neben
ihr saß Bobby Pillsbury und war in sie verliebt.
    »Es ist ein
ganz untypisches Foto für Couth«, erklärte ich Nell. »Nur selten sind sie so
prosaisch, und er arbeitet fast nie mit so auffälligen Doppelbelichtungen.«
    »Kann ich mehr
von deinen Fotos sehen?« fragte Nell.
    »Hm«, meinte
Couth, »mal sehen, ob ich ein paar finde.«
    »Bogus kann sie
ihr doch einfach beschreiben«, meinte Biggie.
    »Leck mich,
Big«, erwiderte ich, und sie lachte.
    »Ich schreib
gerade an ein paar Kurzgeschichten«, meldete sich Bobby Pillsbury zu Wort.
    Ich nahm Colm
von Biggies Schoß und stellte ihn auf den Tisch, mit dem Gesicht zu Couth.
    »Geh zu Couth,
Colm«, sagte ich, »los, geh…« Und Colm lief mit sichtlichem Vergnügen durch den
Salat, ließ jedoch den Reis links liegen.
    »Bogus…«,
protestierte Biggie, aber am anderen Ende des Tisches erhob sich Couth und
streckte die Arme nach Colm aus, der gerade über die Miesmuschelschalen und die
Maiskolben auf ihn zugetrampelt kam.
    »Komm zu
Couth«, sagte Couth, »komm, na, komm schon. Willst du noch ein paar Bilder
sehen? Na, komm, komm zu Couth…«
    Colm stolperte
über einen Korb mit Brötchen, Couth fing ihn auf und trug ihn zur Dunkelkammer;
das Mädchen namens Nell folgte ihnen sofort.
    Bobby Pillsbury
sah zu, wie Biggie ihren Stuhl zurückschob. »Kann ich dir beim Abwasch helfen?«
fragte er sie. Ich zwickte sie unter dem Tisch schadenfroh ins Bein; Bobby
dachte, es liege an ihm, daß ihr die Röte ins Gesicht schoß. Recht unbeholfen
begann er, das Geschirr vom Tisch zu räumen, und ich zog mich in die
Dunkelkammer zurück, um zuzusehen, wie Couth Bobbys Freundin bezauberte. Als
ich sie mit ihrem trampeligen [196]  Möchtegernliebhaber
allein ließ, sah Biggie mich mit dem witzigen Ausdruck gespielter Begierde für
Bobby an.
    Doch später,
als wir in unseren Doppelstockbetten im Bootshaus lagen, Couth mit Colm im
großen Schlafzimmer im Herrenhaus schlief und Bobby Pillsbury und seine junge
Freundin Nell sich wieder ausgesöhnt hatten oder auch nicht, war Biggie
ärgerlich.
    »Er ist ein
richtig netter Junge, Bogus«, sagte sie. »Du hättest uns nicht allein lassen
sollen.«
    »Big, du willst
mir doch wohl nicht erzählen, daß ihr in der Küche einen Quickie

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