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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Hintern und wartete auf einen Nachschlag. Ist es gut für ein Kind, wenn es
so etwas sieht?
    Oder der
haarende amerikanische Bison, der aussah wie der letzte Büffel? Mit seinen
Beinen, so dünn wie die von einem Flamingo, seinem gesprenkelten Fell, das in
dicken Büscheln ausfiel, ein alter Sessel, der neu gepolstert werden muß; ein
riesiges altes Sofa, aus dem das Füllmaterial herausquillt.
    Oder der alte,
verhutzelte Bär in seiner Grube aus Ziegelsteinen mit dem hin und her
schwingenden Reifen, mit dem er niemals spielte, umgeben von seinen eigenen,
entsetzlich stinkenden Haufen.
    »Wofür ist der
Reifen da?« wollte Colm wissen.
    »Damit kann er
spielen.«
    »Wie denn?«
    »Oh, er läßt
ihn hin und her schwingen, stößt ihn an…«
    Doch der Reifen
hing bewegungslos über dem im Dauerschlaf versunkenen Bären, als wolle er ihn
verspotten. Wahrscheinlich lebte das Tier in ständiger Furcht davor, wozu er
wohl da sein mochte. Mir kamen Zweifel, ob der Zoo wirklich die richtige
Umgebung für Colm war; vielleicht waren die Straßen in der Stadt doch
geeigneter für das Kind.
    Und dann, im
November, kam es zu der Katastrophe am Ententeich, wo ich mich mit Colm immer
am wohlsten gefühlt hatte. Die grauweiß gefleckten, zahmen Enten schnappten
sich das Brot aus dem Wasser; wir warteten auf den erhebenden Besuch der [202]  kühnen, buntgefiederten
Wildenten, die in dieser Jahreszeit gen Süden zogen; Iowa lag genau auf ihrer
Fluglinie, und der Teich im Zoo von Iowa City war vermutlich der einzige Ort,
an dem sich eine Wildente auf dem Weg von Kanada zum Golf ausruhen konnte, ohne
daß auf sie geschossen wurde. Wir sahen zu, wie sie landeten, ein vorsichtiger
fliegender Keil, aus dem ein Späher losgeschickt wurde, um den Landeplatz zu
testen; der quakte dann dem Rest der Truppe ein »Die Luft ist rein!« hoch.
Solche Farben waren etwas Besonderes im Zoo von Iowa; seine langweiligen
Bewohner wurden von der Ankunft dieser Reisenden aus der wirklichen Welt
aufgeschreckt: Spießenten, Kanvasenten, Krickenten mit blauen und grünen
Flügeln und die herrlichen Brautenten.
    An diesem
Novembertag hielt ich Colm an der Hand und sah zu, wie sich das V am Himmel
langsam herabsenkte, stellte mir vor, wie dieser müde, zerschlagene Haufen zum
Ausruhen herunterkam, über der großen Seenkette beschossen, über Dakota
bombardiert, in Iowa aus dem Hinterhalt überfallen! Wie ein Schlittschuhläufer
auf dem Eis landete der Späher, quakte die altjüngferlichen Enten am Ufer
dreist an, dankte Gott dafür, daß er ihn auf wunderbare Weise von jeglicher Artillerie
verschont hatte, und rief dann seine Truppe herunter.
    Und sie kamen,
lösten ihre Flugformation auf, sausten in kühnem Sturzflug herunter und
wunderten sich über all das Brot, das da auf dem Wasser herumschwamm. Doch eine
Ente war noch immer hoch droben am Himmel. Ihr Flug war unbeholfen, ihr Abstieg
unsicher. Die anderen schienen den Teich für sie freizumachen, und sie fiel so
plötzlich herunter, daß Colm nach meinem Bein griff und sich daran klammerte,
als habe er Angst, die Ente würde wie eine Bombe auf uns niederstürzen.
Offensichtlich war die Flugsteuerung des Vogels gestört, sein Landemechanismus
defekt, seine Sehkraft geschwächt. Er kam viel zu steil herunter, versuchte mit
einer leichten Drehung noch schnell, [203]  seine Flugbahn zu korrigieren, verlor völlig die einer Ente
eigene Anmut und plumpste wie ein Stein in den Teich.
    Colm preßte
sich an mich, als das Kondolenzgequake der anderen Enten am Ufer erschallte. Im
Teich reckte sich der kleine Hintern der abgestürzten Ente in die Höhe, eine
Handvoll Federn trieb um sie herum auf dem Wasser. Zwei aus der Truppe
paddelten los, um sie anzustoßen, ließen sie dann aber wie ein gefiedertes
Stück Holz im Wasser treiben. Ihre Gefährten wandten alsbald ihre sorgenvolle
Aufmerksamkeit wieder den Brotkrumen zu, rechneten jeden Moment damit, daß ein
Hund angeschwommen kam und ihren Kameraden an Land schleppen wollte. Schossen
sie jetzt etwa schon mit Schalldämpfern? Der Hauch des Todes senkte sich über
den Zoo von Iowa City.
    Alles, was ich
zu Colm sagte, war: »Blöde Ente.«
    »Ist sie tot?«
fragte Colm.
    »Ach was«,
beruhigte ich ihn, »sie taucht nur, sucht auf dem Boden nach Nahrung.« Sollte
ich noch hinzufügen: Sie können den Atem sehr lange anhalten?
    Colm war nicht
überzeugt. »Sie ist tot.«
    »Nein«,
widersprach ich. »Sie wollte nur angeben. Du gibst doch auch manchmal

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