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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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eine breithüftige, farbenfroh gekleidete Händlerin versperrt wurde. Sie schoss ein ganzes Bündel von Gimraeli-Wortpfeilen auf Gair ab und wedelte mit den Händen vor ihm herum, als ob sie Hühner verscheuchen wollte. Hier gab es kein Durchkommen. Über ihre Schulter sah er, dass Alderan an der nächsten Ecke stehen geblieben war und sich nach ihm umsah. Gair kehrte auf dem Weg, der ihn hierher geführt hatte, zurück und versuchte dabei, den alten Mann im Auge zu behalten. Er stolperte über etwas und stieß mit einem bärtigen Mann zusammen.
    »Entschuldigung …« Gair suchte nach den passenden Worten. »Verzeihung, Sayyar .«
    Der Mann sah ihn böse an und brummte etwas, was Gair nicht verstand, bevor er sich an dem Jungen vorbeidrückte. Eine andere Gestalt in einem Gewand folgte dicht hinter dem Mann – eine Frau, nach dem sittsam verhüllten Kopf und der orangefarbenen Seide zu urteilen, die unter dem einfachen weißen Obergewand hervorlugte.
    »Sayyan.« Er trat zurück, um sie vorbeizulassen, und dabei schaute sie zu ihm auf. Vielleicht war es ein Dank für seine Höflichkeit, oder sie hatte gehört, wie er ihren Gefährten angesprochen hatte und war einfach nur neugierig auf diesen Mann aus dem Norden in ihrer Stadt. Er sah zunächst nichts anderes als die Farbe ihrer Augen.
    Es war nicht Aysha. Sie konnte es nicht sein. Die Nase dieser Frau war zu schmal, ihre gezupften, nachgemalten Brauen zu perfekt, doch diese blauen Augen und die seidige zimtfarbene Haut verleiteten ihn einen Moment zu dem Glauben, dass sie es war. Dann ging sie weiter, wieder eine Fremde, und Gair starrte ihr nach, bis ihr weißes Gewand in dem Meer der anderen weißen Gewänder verschwunden war wie eine einzelne Flocke in einem Schneesturm.
    Aysha war fort.
    Ein heftiger Stoß gegen seine Hüfte brachte ihn zurück in die Gegenwart. Er wirbelte herum, bereit zuzuschlagen, doch es war nur wieder die Frau, die ihn vorhin hatte verscheuchen wollen. Abermals feuerte sie Worte wie Pfeile auf ihn ab.
    »Es tut mir leid, ich spreche nicht gut …« Gair runzelte die Stirn und versuchte trotz seiner beschränkten Kenntnisse in Gimraeli zu begreifen, was sie sagte. Die Erscheinung der blauäugigen jungen Frau hatte ihn alles andere vergessen lassen. Schließlich seufzte die Frau ungeduldig, zupfte an seinem Ärmel und bedeutete ihm, er solle weitergehen.
    Gair suchte noch einmal nach der jungen Frau, aber sie war nicht mehr zu sehen. Fast wollte er ihr folgen, aber was sollte er zu ihr sagen, falls er sie einholte? Was sollte er tun? Die junge Frau glich Aysha nicht einmal besonders, und außerdem war der bärtige Mann vermutlich ihr Gemahl oder ihr Vater und würde einem stammelnden Nordländer, der sich ihm ungelenk in den Weg stellte, vermutlich ein Messer in den Bauch rammen. Es war eine dumme Idee, aber bei der Göttin, er konnte sie einfach nicht vergessen.
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Diese Reise nach Gimrael war ein gewaltiger Fehler gewesen. Er hätte niemals herkommen sollen. Wenn bloß Alderan nicht … Blut und Steine!
    Er fluchte ein wenig und hielt Ausschau nach dem alten Mann, konnte ihn an der nächsten Ecke aber nicht mehr sehen. Gair war nur eine oder zwei Minuten abgelenkt gewesen, doch das hatte gereicht, um Alderan aus den Augen zu verlieren. Und nun war er selbst verloren.
    Gair drängte sich durch die Menge und eilte zu der Stelle, wo er seinen Begleiter zuletzt gesehen hatte. Bei jedem Ellbogen, ge gen den er stieß, murmelte er »Entschuldigung!«. Frischer Schweiß brach ihm auf Brust und Rücken aus, und unter dem Gepäck, das er sich über die Schulter geschlungen hatte, klebte sein Hemd an der Haut wie ein Senfpflaster. Je tiefer er sich in den Souk hineinwagte, desto langsamer kam er voran. Die Gimraeli verneigten sich zwar vor ihm und lächelten ihn an, aber sie gingen ihm nicht aus dem Weg.
    Er erreichte die nächste Wegkreuzung und musste stehen bleiben. Der Souk erstreckte sich in alle Richtungen; jede neue Gasse war so verstopft und laut wie die vorangegangene. In seinem Kopf pochte es. Wohin war Alderan gegangen – geradeaus oder nach links? Gair war so groß, dass er über fast alle Köpfe hinwegsehen konnte, ohne sich auf die Zehenspitzen zu stellen, doch die durchhängenden Baldachine über ihm und die Schatten, die sie warfen, schränkten seine Sicht stark ein.
    Verdammt, verdammt, verdammt .
    Er biss sich auf die Lippe, schaute abermals in beide Richtungen und folgte schließlich dem

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