Die wilde Jagd - Roman
beobachten zu müssen, dass er ihr unwesentliches Versagen genoss, was er sicherlich tat. Mochten die Götter ihm baldige Verwesung schenken! Aber die Kraft dieses Mädchens! Wie konnte sich eine so starke Gabe entwickelt haben, ohne dass Ytha es wusste? Wie?
»Entweder sind ihre Kräfte stärker, als ich feststellen kann, oder dieses Mädchen hat ein Rückgrat aus Eisen, was ich allerdings nie vermutet hätte. Ich darf es nicht zulassen, dass sie unsere Pläne gefährdet.« Ich werde die Ebene zurückerobern, und dieses Mädchen wird mir dabei nicht im Wege stehen .
Sie hörte das Knarzen seiner Stiefel, als er hinter sie trat.
»Sprich offen, Ytha. Was hast du vor?«
Sie Maegern zu opfern, um mich meines Sieges zu versichern . Sie sprach diesen Gedanken nicht aus. Drwyn würde es nie billigen, wenn sie es ihm vorschlug, aber vielleicht konnte sie diesen Gedanken in seinen Geist einpflanzen und es so einrichten, dass sein ungezügeltes Temperament den Rest erledigte.
Aber das würde schwierig werden. Der Gedanke an den Erben, der in ein paar Monaten zur Welt kommen würde, hatte ihn in der letzten Zeit gebremst, und er hatte nicht einmal versucht, seine Lust anderswo zu befriedigen, als der Bauch des Mädchens immer umfangreicher geworden war. Er war nicht gerade bekannt für seine Selbstbeherrschung. Ytha verzog die Lippen. Mochte er diese Dirne etwa?
Sie riss sich zusammen und drehte sich zu ihm um. »Wir müssen behutsam vorgehen. Zuerst wird sie aller Ehren entkleidet, und wir machen sie unglaubwürdig, damit keiner der anderen Häuptlinge mehr etwas auf ihre Worte gibt, falls er sie auf irgendeine Weise hören sollte. Es darf keinen Grund mehr geben, dass man ihr traut. Und wenn das Kind geboren ist, werde ich diese Dirne ausbrennen.«
Drwyns Augen weiteten sich, und er machte einen Schritt auf sie zu. Als sie die Hand hob, blieb er stehen.
»Friede, Drwyn. Du wirst sie immer noch zwischen deinen Schlaffellen haben, und ich bin sicher, dass sie dir viele feine Kinder schenken wird, aber ich werde dafür sorgen, dass sie mit ihrer Kraft nicht einmal mehr eine Lampe anzünden kann. Natürlich wird es für sie ein schwerer Verlust sein, wenn sie nicht mehr in die Zukunft sehen kann, aber davon wussten wir nichts, als wir unsere Pläne geschmiedet haben, also sind wir auf sie ohnehin nicht angewiesen und stehen ohne sie auch nicht schlechter da.«
Rastlos krallte er seine Finger in den Stoff seines dicken Wollumhangs und ließ ihn wieder los. Gleichzeitig zuckte ein Muskel an seinem Kiefer.
»Ich kann nicht sagen, dass mir dieser Plan gefällt, Ytha«, sagte er mit heiserer Stimme. »Sie hat uns keinen Schaden zugefügt.«
»Woher willst du das wissen? Ich bin sicher, dass sie uns auf der Versammlung ausgespäht hat. Wer weiß, was sie gehört hat und was sie mit diesem Wissen zu tun gedenkt? Sie ist ein verfilzter Faden in dem Wandteppich, den wir beide weben, und deshalb muss er weggeschnitten werden.«
»Nein.«
Hatte sie richtig gehört? Nach allem, was das Mädchen getan hatte, war es unvorstellbar, dass er sie verteidigte. Sie starrte ihn ungläubig an. »Was hast du gerade gesagt?«
»Ich glaube, du ängstigst dich vor Schatten.« Drwyn verschränkte die Arme vor der breiten Brust und sah sie unter seinen Brauen gleichmütig an. »Du wirst gar nichts unternehmen. Wir warten ab, bis das Kind geboren ist. Frauen in ihrem Zustand haben oft seltsame Launen. Alles, was sie sagt, kann im Augenblick als eine solche abgetan werden, und kein Häuptling wird ihr Glauben schenken. Ich indes werde nichts erlauben, was meinem Sohn gefährlich werden könnte.« Sie wollte etwas dagegen einwenden, doch er hob die Hand. »In dieser Sache gehorchst du mir, Ytha. Ich bin der Häuptling.«
Und ich bin die Sprecherin der Crainnh! Du würdest nicht einmal den Halsring tragen, wenn ich dir nicht dazu verholfen hätte, du undankbarer Welpe!
Es war schwer, die Worte für sich zu behalten, aber sie musste es unbedingt. Sie durfte es nicht riskieren, ihren Komplizen zu verlieren. Nicht nach all den Jahren und all den Plänen. Aber das Mädchen hatte sie erschüttert – stärker, als sie es sich selbst eingestehen wollte. Ein junges Ding hatte sie mit der Luft gefesselt und ihren Zwang abgeschüttelt wie Regen von eingeöltem Leder. Wo hatte sie das gelernt? Wie war sie so stark geworden?
»Also gut.« Ytha raffte ihre Röcke und deutete einen Knicks an. »Es soll so sein, wie du sagst, mein Häuptling. Aber sobald
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