Die wilde Jagd - Roman
hielt die Zügel locker und bewegte seinen Körper im Einklang mit dem ihren, bis sie sich beruhigte und es ihm erlaubte, auf ihr über den Hof zu reiten.
»Du kennst dich mit Pferden aus«, sagte N’ril; er klang beeindruckt.
»Ich bin mit ihnen aufgewachsen, und als ich zu den Rittern gegangen bin, habe ich fast jeden Tag mit ihnen gearbeitet.«
Gair klopfte der Stute versöhnlich auf den Hals, als sie seitwärtstänzelte. Kraftvolle Muskeln zuckten und wanden sich unter ihm. Sie war stark, und das lange Stehen im Stall hatte sie widerspenstig gemacht. Er ließ sie noch eine oder zwei Minuten in Ruhe und lenkte sie dann durch den Druck seiner Waden zurück zu ihrem Stall.
N’ril grinste anerkennend. »Eine Tochter des Sandes reagiert am besten auf eine sanfte Hand«, sagte er. »Aber das wusstest du bereits, nicht wahr?«
Gairs Hochstimmung zerfloss wie Tau an der Sonne. »Was meinst du damit?«
»Dein Zirin – er ist zum Teil auf Gimraeli beschriftet, aber die andere Sprache ist Leahnisch, oder? Ich habe angenommen, dass es die Verbindung zweier Häuser bedeutet und deine Frau …«
»Sie war nicht meine Frau.« Schmerz drückte ihm das Herz zusammen und machte ihm das Sprechen und sogar das Atmen schwer. Er richtete den Blick starr auf das Bruchstück eines Strohhalms in der Mähne der Stute und zwang sich, die Tränen zurückzuhalten. »Was hat Alderan dir erzählt?«
»Dass du in Trauer bist, mehr nicht.« N’ril rieb Shahes Nase. »Verzeih mir. Ich habe nicht nachgedacht, bevor ich gesprochen habe.«
Gair blinzelte das Stechen aus seinen Augen. Es war nicht N’rils Schuld. »Es gibt nichts zu verzeihen. Es tut bloß noch etwas weh, das ist alles.«
»Ich verstehe. Mein Bruder ist vor mehr als einem Jahr zur Göttin gegangen, und mein Herz ist noch immer gebrochen.« N’ril verschränkte die Arme, trat ein paar Schritte zurück und betrachtete Gair und Shahe. »Du siehst gut auf ihr aus«, verkündete er und nickte heftig. »Ich bringe es einfach nicht über mich, sie zu reiten, aber es ist grausam, sie die ganze Zeit im Stall stehen zu lassen. Sie gehört nach draußen in den Wind.«
»Ich würde ihr sehr gern den nötigen Auslauf verschaffen«, sagte Gair und fügte impulsiv hinzu: »Außerdem brauche ich ein Reittier.«
Der Wüstenmann hielt den Kopf schräg und dachte nach. »Du verstehst etwas von Pferden«, sagte er. »Was ist sie deiner Meinung nach wert?«
In Gairs Börse befand sich noch eine Menge Silber. »Zwanzig Marken.«
»Zwanzig? Wenn wir keine Freunde wären, müsste ich beleidigt sein. Hundert und nicht ein Kupferstück weniger.«
»Fünfundzwanzig«, gab Gair zurück, und N’ril warf die Hände in die Luft.
»Unerhört! Ich kann nicht weniger als siebzig in Gold für sie verlangen.«
»Dann machst du mich zum Bettler.«
»Sie ist reinrassig! Ihre Abstammung ist besser belegt als die des Kaisers.«
»Das ist nicht schwierig. Die Menschen sind bei ihren Vollblutpferden sorgfältiger mit dem Abstammungsnachweis als bei ihrem eigenen Samen. Dreißig in Silber.«
»Pah! Fünfundsechzig.«
»Fünfunddreißig.« Gair nahm eine der Eichmarken aus seiner Tasche und warf sie ihm zu.
»Diese? Kein Geldwechsler in der Stadt würde sie nehmen.«
»Marken aus der Heiligen Stadt sind die reinsten im ganzen Reich; sie bestehen fast ausschließlich aus Silber.«
»Zu viele hier erinnern sich deutlich an den Krieg, mein Freund.« Der Wüstenmann betrachtete das Antlitz des Lektors von Dremen sowie die Eiche, die in die Rückseite eingestanzt war, und seufzte schließlich. »Fünfzig, auch wenn es meiner Mutter das Herz brechen wird.«
»Vierzig, und du kannst mir das Zaumzeug und den Sattel dazugeben.«
In dieser Höhe blieb der Preis vorerst. Shahe hatte aufmerksam die Ohren gespitzt und schien ebenfalls zu warten. Endlich sagte N’ril: »Bist du schon einmal durch den Sand gereist, Gair?«
»Nein, warum?«
»Weil du wie ein Teppichhändler aus Isfahan feilschst.« Ein strahlendes Grinsen erhellte sein Gesicht, und er warf die Münze zurück. »Vierzig.«
Er streckte die Hand aus, um den Vertrag zu besiegeln. Gair ergriff sie. Genau in diesem Augenblick erschütterte eine gewaltige Detonation die Morgenluft. Shahe scheute, und die Hände der beiden wurden getrennt, als Dutzende kleinerer Explosionen folgten. Über den Dächern fleckte nun dicker, schwarzer Rauch den Himmel, der von blauen und silbernen Funken gesprenkelt war.
»Was zur Hölle war das?« Gair hatte seine
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