Die wilde Jagd - Roman
nicht mehr klar denken. Sein Herz raste, als es versuchte, mit seinen Gedanken Schritt zu halten, während er auf den vortretenden Herold starrte, ohne ihn wirklich zu sehen.
Ceinan war schon immer derjenige gewesen, vor dem man auf der Hut sein musste. Ansel hätte sich nicht so sehr auf Goran konzentrieren dürfen. Dieser fette Perverse war nie eine echte Bedrohung für den Präzeptor gewesen, wie hoch hinaus er auch hatte gelangen wollen und wie schrecklich seine Sünden auch gewesen sein mochten. Doch Ceinan – das war ein ganz anderer Fall. Was weiß er?
Der silbrige Klang der Fanfare riss ihn aus seinem Brüten, und er ließ diesen Gedanken fallen. Was immer der dremenische Fuchs geplant haben mochte, jetzt war es zu spät, um sich darüber Sorgen zu machen. Die Tjost begann gleich.
Am Ende der Kampfbahn wartete zur Linken der erste Meister des Ordens in einem weißen und goldenen Umhang über der schmucklosen Rüstung. Sein Schild war gewöhnlich, und er hatte das Visier seines Helms gesenkt. Der Tradition gemäß wussten die Novizen nie, wem sie an diesem Tag gegenüberstehen würden. Ihr Gegner wurde aus den Reihen der Ritter, die gerade im Mutterhaus weilten, durch das Los bestimmt. Zu früheren Zeiten hatte sogar der Präzeptor zu dieser Aufgabe herangezogen werden können, wenn der jeweilige Inhaber des Amtes noch rüstig genug für einen solchen Wettkampf war. Einige waren an ihrer Größe oder Breite zu erkennen oder an der Art, wie sie auf ihrem Pferd saßen, doch in den meisten Fällen wussten die jungen zukünftigen Ritter nur, dass sie einem der Besten gegenüberstanden, die die Suvaeoner aufbringen konnten, und dass sie sich an diesem Maßstab messen lassen mussten.
Von rechts kam der erste Herausforderer, der bereits seinen Helm aufgesetzt hatte. Er zügelte sein störrisches Pferd und brachte es in Position. Um seinen rechten Oberarm war ein farbiges Band geschlungen, damit die Zuschauer und die Kampfrichter ihn identifizieren konnten. Livrierte Knappen überprüften, ob die Ausrüstung der Kämpfer ausreichend gesichert war, und gaben jedem Mann eine Lanze, bevor sie hinter den mit Eichen bemalten Schutzwänden Zuflucht suchten.
Obwohl es sich bei dem Reiter nicht um Selsen handelte, beugte sich Ansel unwillkürlich vor und wartete auf das Signal. Die Menge war verstummt, und nur die flatternden Banner widersprachen dem Eindruck, die ganze Welt habe den Atem angehalten.
Mit einem breiten Grinsen schlug der Meisterschmied des Ordens auf der anderen Seite des Turnierplatzes mit seinem Hammer auf den Amboss. Es ertönte ein heftiges Dröhnen, und die beiden Wettkämpfer stürmten vorwärts.
Schon nach wenigen Schritten waren die Pferde in einen wogenden Galopp gefallen. Zwei Lanzen wurden gesenkt. Zwei Schultern spannten sich an, und die stumpfen Lanzen prallten unter dem Jubelchor der Menge auf die Schilde. Beide Kämpfer schwankten, hielten sich aber im Sattel, ritten zurück in die Ausgangsposition und erhielten von ihren Knappen frische Lanzen.
Der zweite Waffengang erschütterte den Novizen schwer im Sattel. Der Junge hatte seinen Stoß schlecht platziert, und seine Lanze rutschte unter einem Schauer von Farbsplittern von dem Schild des Ritters ab. Die dritte Runde hätte ihn fast aus dem Sattel gehoben. Er musste seine Lanze loslassen und sich am Sattelknauf festhalten.
Die Kämpfe gingen bis in den Nachmittag weiter. Hufe donnerten, Lanzen prallten gegen Schilde, und die Menge brüllte oder keuchte entsetzt auf. Ansel sah zu, wie vier Novizen aus dem Sattel gestoßen wurden, von denen einer mit einem schlimm gesplitterten Arm ins Krankenzelt getragen werden musste, bis es einem der Jungen endlich gelang, seinen Gegner zu bezwingen.
»Wer war das?«, fragte Ansel und klatschte heftig, als der besiegte Ritter die Zügel seines Pferdes ergriff und der Sieger den Jubel der Menge mit einer schwungvollen Verneigung im Sattel entgegennahm.
Danilar kniff die Augen zusammen und betrachtete das grüne Band des Jungen. »Berengir«, sagte er. »Erster in der Gruppe der nicht berittenen Schwertkämpfer und Selsens größter Rivale im Kampf um die Eichenblätter.«
Der Kranz aus Eichenblättern wurde dem vielversprechendsten jungen Ritter im letzten Jahr des Noviziats verliehen. Viele von denen, die ihn erhielten, würden beizeiten zum Ersten Ritter geschlagen werden. Ansel versuchte, nicht allzu sehr darauf zu hoffen, dass Selsen einer von ihnen sein würde.
»Er ist gut; er hat gerade
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