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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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versuchte. »Und wie geht es unserem geliebten Ältesten Goran?«
    »Ehrlich gesagt, könnte es mir nicht gleichgültiger sein. Jetzt ist der Hohe Vorsteher für ihn verantwortlich. Ich will bloß den Tag genießen.«
    Unten auf dem Turnierplatz erschien ein Herold in weißer und goldener Livree, auf dessen Hemdbrust mit Goldfäden eine große Eiche gestickt war. Die letzten Zuschauer begaben sich zu ihren Sitzen, und einige Nachzügler im Scharlach der Kirche eilten die Stufen zu den Bänken unter Ansel hoch, als der Herold das Band von seiner Schriftrolle entfernte und las:
    »Präzeptor, Älteste, Damen und Herren, es ist mir ein großes Vergnügen, Euch alle am dritten und letzten Tag des großen Turniers begrüßen zu dürfen, an dem wir die letzten Waffengänge jener Novizen unseres Ordens sehen werden, die in die Ritterschaft unserer Göttin Eador aufzurücken wünschen.«
    Mit derselben klaren Stimme, die über das Flattern und Peitschen der Banner hinwegtrug, verkündete er das Programm dieses Tages. Ansel schenkte ihm kaum Aufmerksamkeit, denn er war damit beschäftigt, seine Kissen bequemer zurechtzurücken. Es würde ihm nicht lange Linderung verschaffen; in fünf Minuten würde er wieder damit beschäftigt sein. Verdammtes Alter! Zu viele Jahre im Sattel und zu wenige Jahre noch vor ihm. Aber Angst half nicht, auch wenn sie beständig an ihm nagte. Er schluckte einen Fluch, den er nicht auszusprechen wagte, und rutschte wieder hin und her.
    Danilar kicherte. »Bei allen Heiligen, Ihr seid nervöser als Selsen!«
    »Ich kann nichts dagegen tun«, knurrte Ansel, lächelte dann huldvoll und nickte bei dem höflichen Applaus, der den Ankündigungen des Herolds folgte.
    »Ich bin sicher, dass er sich gut schlagen wird. Er ist der Beste in der Gruppe der berittenen Schwertkämpfer und der Zweitbeste bei den Fußkämpfern. Sogar der Nahkampf hat ihn nicht entmutigt.«
    »Aber der wahre Ruhm liegt in der Tjost.« Ansel klopfte wieder gegen seine Kissen, aber nichts linderte die Schmerzen in seinen Gelenken für längere Zeit.
    »Auch wenn er die sinnloseste der ritterlichen Disziplinen ist«, bemerkte Danilar. Er streckte die Hand aus und tätschelte Ansels Arm. »Entspannt Euch. Ich habe ihn heute Morgen im Novizenzelt gesehen, und er war so ruhig, wie man nur sein kann.«
    »Du hast gut reden«, murmelte Ansel. »So nervös bin ich bei einem großen Turnier nicht mehr gewesen, seit ich mir dabei meine eigenen Sporen verdient habe.«
    Auf dem Platz stellten die Knappen die Ziele auf. Helle Messingringe wurden an Haken gehängt, die sich am Ende eines jeden Parcours an hölzernen Drehgestellen befanden. Wer von den Novizen als Erster fünf Ringe mit seinem Speer gesammelt hatte und damit zur Startlinie zurückgekehrt war, wurde zum Sieger der Runde erklärt.
    Im ersten Durchlauf nahm Selsen am achten Wettkampf teil und gewann mit großer Leichtigkeit. Er hatte bereits die fünf Ringe zur Startlinie zurückgebracht, als der andere Novize seinen vierten noch nicht eingesammelt hatte. Die Besucher auf den unteren Rängen des Tempelberges brüllten vor Begeisterung, während die Edleren in den Pavillons applaudierten – einschließlich jener Ältesten, die dem Wettkampf tatsächlich ihre Aufmerksamkeit schenkten. Doch die meisten schienen sich miteinander zu unterhalten; sie gestikulierten und schüttelten die Köpfe, sodass Ansel ganz nervös davon wurde.
    Es war unmöglich, über dem Donnern der Hufe und dem Schnauben der Pferde etwas von den Gesprächen mitzubekommen, während ein Novizenpaar nach dem anderen die nächste Runde hinter sich brachte, und da ihm die Ältesten die Rücken zugewandt hatten, konnte er nicht einmal etwas von ihren Lippen ablesen. Er runzelte die Stirn und regte sich wieder auf seinem Sitz.
    Danilar beugte sich zu ihm herüber und fragte mit leiser Stimme: »Was ist los?«
    »Es wird zu viel geredet.« Ansel deutete mit dem Kopf auf die Reihen von scharlachfarbenen Roben unter ihm, aus denen am Ende der nächsten Runde nur wenig Applaus aufstieg.
    »Sie plappern noch immer über das, was im letzten Monat geschehen ist«, sagte der Kaplan. »Beachtet sie einfach nicht.«
    Im letzten Monat. Nun, das hatte wahrlich ausgereicht, um sogar in einem Hause Eadors Klatsch und Tratsch zu befördern. Fast wäre er in der Ratshalle vor denselben scharlachfarbenen Roben gestorben, als er Gorans Putschversuch entgegengetreten war und nur ganz knapp gewonnen hatte. Trotz des für diese Jahreszeit

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