Die wilde Jagd - Roman
ungewöhnlichen Sonnenscheins zitterte Ansel. Ich habe ihn besiegt, obwohl die kalte Hand des Todes schon auf meiner Schulter liegt .
Es war nur noch so wenig Zeit übrig, und es blieb noch so viel zu tun. Er – oder vielmehr der junge Bibliothekar Alquist – musste noch Malthus’ fehlendes Tagebuch finden und den wahren Grund enthüllen, warum Gwlach damals besiegt worden war. Falls sich sein Verdacht bewahrheitete, würde es eine bittere Pille sein, die der Orden schlucken musste, aber wenn er sich nicht seinen eigenen Sünden stellen konnte, hatte er kein Recht, andere für die Ihren zu züchtigen.
Unter einigen Mühen zwang er sich, nicht an dieses Tagebuch zu denken. Vorgis war bereits misstrauisch geworden, und Ansel wollte den Hüter des Archivs nicht noch mehr verärgern, indem er die Suche intensivierte oder weiteres Personal von ihm verlangte. Dieses kostbare Buch würde schon beizeiten ans Tageslicht kommen. In diesem Augenblick musste er sich ganz auf das Turnier konzentrieren. Am Ende des Tages würde er wissen, ob all seine sorgfältigen Planungen vergebens waren oder nicht.
Weiterer Applaus aus den Pavillons unter ihm erregte seine Aufmerksamkeit, und einige Jubelrufe waren zu hören, als die guten Bürger von Dremen die Wirkung ihrer Erfrischungen spürten. Ein grinsender Novize galoppierte die Arena mit fünf Ringen an seinem Speer entlang. Auf der anderen Seite rammte sein Gegner vor Wut seine Waffe in den Boden, während die Fanfare das Signal zum Ende der Runde blies.
Ansel spähte über die Köpfe der Würdenträger hinweg und beobachtete, wie der Schwertmeister, der Pferdemeister und der Waffenmeister sich am Tisch der Richter berieten.
»Na los, komm schon«, murmelte er. Ein Page erschien neben ihm und bot ihm einen Pokal mit Wein an, aber er schickte den Jungen weg. Schließlich hatten die drei Meister die Paarungen für die nächste Runde gezogen und gaben die Liste dem Herold, damit er die Namen verkündete. »Endlich!«
Die meisten Namen entgingen ihm, bis er den hörte, auf den er gewartet hatte. Selsen würde gegen den Jungen kämpfen, der den letzten Durchgang gewonnen hatte.
Weitere Qualen für seine Nerven. Warten. Hoffen. Er wusste, dass Selsen sich gut schlagen würde, denn Ansel hatte die Kämpfe der letzten beiden Tage sehr genau beobachtet, aber er machte sich trotzdem Sorgen. Er befürchtete vor allem, dass es sich zu deutlich auf seinem Gesicht abzeichnete, denn der Präzeptor des Ordens durfte niemanden bevorzugen. Er konnte es sich keinesfalls leisten, dass seine Ängste offenbar wurden.
Am Ende hätte er sich keine Sorgen machen müssen. Selsen überstand diese Runde, auch die nächsten beiden und sogar einen schrecklichen Sturz in der letzten, als sein Pferd beim dritten Wenden auf dem zerwühlten Boden den Halt verlor. Schließlich gewann er um Haaresbreite.
Erleichtert sank Ansel in seinen Sitz zurück und beobachtete die Parade des Siegers über den Platz. Selsen hatte sich den Speerschaft auf den Fuß gestellt, und die fünf Ringe klirrten zum Hufgetrappel seines Pferdes. Er nickte huldvoll unter dem Applaus, während die anderen Novizen bei der Pferdekoppel zusammengekommen waren und pfiffen und in die Luft boxten.
Ansel musste unwillkürlich lächeln. Selsens fröhliches Grinsen hatte ihm etliche Freunde im Mutterhaus verschafft. Dass er nicht sprechen konnte, hatte sich nicht als Hindernis erwiesen. Tatsächlich hatten sogar einige Novizen darum gebeten, in der Diebessprache unterrichtet zu werden – sehr zum Missfallen des Novizenmeisters, der sie nun nicht mehr dafür bestrafen konnte, dass sie sich im Refektorium miteinander unterhalten hatten, wo sie doch keinen Laut von sich gegeben hatten. Als Präzeptor musste Ansel dafür sorgen, dass die Gaben der Göttin auf dem Tisch angemessen mit einem stillen Dankgebet gewürdigt wurden, und war deshalb gezwungen gewesen, die stumme Zwiesprache zu unterbinden, aber er hatte sich zwingen müssen, nicht laut darüber zu lachen.
»Sehr Ihr, Ansel?« Danilar klopfte ihm gegen das Knie. »Habe ich Euch nicht gesagt, dass sich der Junge wacker schlagen wird? Das Tochterhaus in Caer Amon kann stolz auf ihn sein.«
»Ja, und seine Mutter ebenfalls.« Selsen verdankt alles dir, Jenara. Du hast dieses großartige Kind großgezogen. Ich wünschte, du könntest heute hier sein!
Auf dem Turnierplatz bereiteten die Knappen den Boden für das letzte Ereignis vor; mit schweren Walzen glätteten sie die von den Hufen
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