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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Kämpfer erhielten trotzdem neue Waffen und brachten ihre hechelnden Pferde zum letzten Durchgang in Position.
    Danilar packte Ansel am Arm. »Seht nicht so ängstlich drein, alter Freund. Er wird es schaffen.«
    »Ist es so deutlich zu sehen?«
    »Ein wenig.«
    Zur Beruhigung trank Ansel einen Schluck Wein. »Ich bin stolz auf ihn, Danilar. Wirklich.« Aus den Augenwinkeln sah er, wie Ceinan den Kopf drehte und ihm zuhörte, aber es war ihm egal. Soll er doch denken, was er will .
    Der Schlag des Hammers auf den Amboss ging rasch im Hufgeklapper und dem Schnauben der Pferde unter. Die Lanzen schwankten, wurden gesenkt, die Arme fest um die Schäfte hinter dem Griffschutz gelegt, und dann kam der Aufprall. Beide Waffen splitterten. Selsen zog den zerbrochenen Schaft zur Seite, doch die herumfliegende Spitze, immerhin noch fast eine Elle unbemalten Eschenholzes, traf den Ritter am Helm und riss seinen Kopf zur Seite.
    Er hat die Richtung verloren . Ansel sprang auf die Beine und beachtete das Stechen in seinen Hüftknochen nicht. »Hochziehen!«, schrie er. » Hochziehen! «
    Zu spät. Der Ritter konnte ihn nicht hören. Sein Pferd änderte die Gangart, und das gezackte Ende der Lanze schlug gegen Selsens Schild, glitt ab und bohrte sich in seine Schulterplatte, bevor der nächste Schritt des Pferdes sie wieder herauszerrte.
    Selsens eigenes Lanzenstück flog zu Boden. Der weiße Stoff des Umhangs färbte sich scharlachrot, und irgendwo in der Menge schrie eine Frau auf. Knappen rannten herbei und fingen das Pferd ein, als der verwundete Reiter im Sattel zusammensackte. Stimmen riefen nach den Ärzten. Sogar der Ritter, der den Schlag geführt hatte, stieg ab und rannte zu Hilfe; dabei warf er seinen Helm ab.
    Nein . Langsam sackte Ansel auf seinen Sitz zurück. Sein Herz schlug so laut, dass es ihn fast taub machte. Er hörte Danilars beruhigende Worte nicht und auch nicht das besorgte Geplapper der Ältesten in der nächsten Reihe. Alles, was er noch hörte, waren das splitternde Holz und seine eigene Stimme, die einen Befehl brüllte. Hochziehen!
    Er sah durch die Menge der Personen am Ende der Kampfbahn hindurch, wie Selsen auf den Boden gelegt, ihm hastig die Rüstung ausgezogen und sofort zur Seite geworfen wurde. Hengfors’ schlaksige Gestalt erschien; der Arzt bückte sich und untersuchte die Wunde. Dann wurde eine Trage herbeigebracht, und man trug den Jungen zum Krankenzelt, das außer Sichtweite hinter dem letzten Pavillon stand.
    Die Knappen säuberten das Feld, damit die Kämpfe fortgesetzt werden konnten, und die Menge nahm wieder Platz. Ansel starrte sie blicklos an. Verletzungen waren nichts Ungewöhnliches bei einem Turnier, sie gehörten zum Leben eines Ritters. Wenn er sie nicht auf dem Kampfplatz erlitt, dann in der Schlacht. Es war das Risiko, um das jeder Mann wusste, wenn er die Sporen erhielt. Wie konnte es da bei einem Novizen, der sie sich erst noch verdienen wollte, anders sein?
    »Ansel.«
    Danilars geduldiger Tonfall verriet, dass er schon einige Zeit geredet hatte, aber nicht gehört worden war. Ansel wandte sich ihm zu und erkannte, dass er den leeren Pokal im Würgegriff hielt. Weinflecken sprenkelten den Ärmel seiner Robe. Scharlachrot auf Weiß. Blut auf einem Umhang. Möge die Göttin über dir wachen, Selsen .
    »Verzeih mir, Danilar«, sagte er und stellte den Pokal ab. »Ich fürchte, ich habe dir nicht zugehört.«
    »Ich sagte, er ist in guten Händen. Hengfors ist ein ausgezeichneter Arzt.«
    »Ich weiß, ich weiß. Es war bloß ein Schock für mich.« Blut auf einem Umhang. Bei allen Heiligen, wie soll ich es ihr beibringen? »Ich bin sicher, dass es Selsen bald wieder gut geht.« Gut? Was heißt da schon gut?
    Es sei Selsens größter Wunsch, Ritter zu werden und in die Schlacht zu reiten, hatte Jenara geschrieben. Seit seinem dritten Lebensjahr war dies der Traum des Kindes gewesen, als es in jenem staubigen Hof noch mit seinen Holzfiguren gespielt hatte. Wenn ihm die Schulter zertrümmert worden war, würde ihn das für immer zum Krüppel machen. Selsen würde nie mehr in der Lage sein, den Schild richtig zu halten und ein Schwert mit beiden Händen zu schwingen.
    Wie soll ich diese Nachricht überbringen, die seinen Traum für immer zunichtemachen wird?
    Die letzten vier Novizen nahm Ansel gar nicht mehr wahr. Er hörte kaum das Signal des Schmieds und den Applaus für den Sieger. Sogar die Fanfare, die das Ende des Wettstreits ankündigte, drang kaum bis zu ihm

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