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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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überhaupt irgendetwas Neues erzählen? Sie senkte den Kopf in dem Versuch, ihr Erröten zu verbergen, und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihren Tee. Es war am besten, wenn sie die Rolle spielte, die die Verlorenen ihr zugewiesen hatten. Dabei konnte sie nur hoffen, dass sie sich nicht noch mehr zum Narren machte.
    Als sie ihren Tee getrunken hatte, kippte Baer den Rest seines Bechers hinunter; es war wie ein Signal, dass dieses Gespräch nun vorbei war. Doch dann schaute er in seinen Becher und suchte offenbar nach den passenden Worten für das, was er sagen wollte.
    »Sprich es aus, Baer«, sagte sie leise. »Ich würde lieber wissen, was du denkst, statt es erraten zu müssen.«
    »Vielleicht haben es die anderen noch nicht bemerkt«, begann er und betrachtete noch immer eingehend den Boden seines Bechers, »aber mir scheint, dass unser Weg uns zum Tir Malroth führt.«
    »Und das macht dir Sorgen.«
    Er hob den Kopf, sah sie an und wandte den Blick rasch wieder von ihr ab. »Ja.«
    »Es ist die einzige sichere Route durch die Berge. Ich weiß, dass Drwyn Späher zu dem anderen Pass geschickt hat. Sie würden uns niemals durchlassen.« Und was ist, wenn er ebenfalls Späher zum Pass unter dem Tir Malroth gesandt hat? Was ist, wenn sie uns gefangen nehmen, wenn sie mich an Drwyn ausliefern – oder an Ytha? Sie schob diesen Gedanken beiseite und fügte hinzu: »Diesen Weg nimmt nie jemand.«
    »Allerdings nicht, und zwar aus gutem Grund«, gab er zurück. »Das ist der Tir Malroth, Mädchen, der Geisterberg!« Er hielt inne und schluckte herunter, was er noch hatte sagen wollen. Sein Kiefer arbeitete. »Verzeih mir, Banfaíth. Ich habe Unsinn erzählt.«
    »Baer, ich bin so jung, dass ich deine Tochter sein könnte. Du musst dich bei mir nicht entschuldigen.« Zögerlich legte sie ihm die Hand auf den Arm. Sie würde seine Gesellschaft vermissen, wenn sie die Gruppe hier zurückließ, aber das, was vor ihr lag, ging nur sie allein etwas an; es war nicht die Aufgabe der anderen. »Ich schätze die Hilfe sehr, die ihr mir bisher gewährt habt. Ihr hättet nicht mit mir kommen müssen, aber ich bin dankbar dafür, dass ihr es getan habt. Ich kann es gut verstehen, wenn ihr mich nicht weiter begleitet.«
    »Sollen wir dich etwa allein lassen?«, schnaubte er. »Neve würde mich umbringen. Außerdem gibt es hier im Gebirge mehr Schutz als unten in der Ebene. Und vielleicht auch mehr Wild.« Er blinzelte in den fallenden Schnee, schaute hoch zu den Wolken und stellte seinen Becher ab. »Am besten brechen wir rasch auf. Der Weg vor uns ist steil, und diese Wolken haben noch viel mehr Schnee in ihren Bäuchen. Ich kann es riechen.«
    Vier Stunden später hielt ein scharfer Pfiff von vorn die dahintrottende Gruppe auf, die sich inzwischen in einem weiten, bewaldeten Tal befand. Teia hatte gerade mit Neve gesprochen und schaute sich um. Sie sah, wie Isaak und Varn zwischen den Bäumen vor ihnen hervortraten; der Erstere hatte sich das getötete Wild über die breiten Schultern gelegt, während der andere die beiden Bögen trug.
    Baer kam vom Ende der Gruppe herbei und nickte Teia zu. »Kommst du mit mir, Banfaíth, und schaust dir an, was Isaak erlegt hat?«
    Sie lenkte Finn ein wenig zur Seite und folgte ihm dorthin, wo die beiden Männer durch den knietiefen Schnee auf die Gruppe zustapften. Die beiden waren weiß bestäubt, zeigten aber ein breites Grinsen. Teia stieg ab und massierte sich den schmerzenden Rücken, während sie darauf wartete, dass die Jäger sie erreichten.
    Isaak nahm das gefleckte Tier von den Schultern und legte es Teia zu Füßen. Er hatte es sauber mit einem einzigen Pfeilschuss ins Herz getötet; nur sehr wenig Blut fleckte die kastanienbraune Brust des Rehs, und seine großen, dunklen Augen wirkten fast noch lebendig.
    »Gut?«, fragte er.
    Teia kniete sich in den Schnee, zog sich den einen Fäustling aus und legte die Hand auf die Flanke des Rehs. Der Rest der Gruppe drängte sich flüsternd um sie, und einer spähte dem anderen über die Schulter. Ihre Aufmerksamkeit machte Teia nervös, und so schloss sie die Augen. Das Flüstern erstarb.
    Ytha hatte ihr nur wenig darüber erzählt, wie sie in einem solchen Fall ihre Magie außerhalb ihres eigenen Körpers anwenden konnte. Teia konzentrierte sich auf das Gewebe der Haut unter ihrer Handfläche sowie auf die schwache Wärme der Organe darunter und rief ihre Macht herbei. Zuerst war es nur ein einzelner Faden, der an ihrem Arm entlang bis

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